Feuerwogen
kalt, dass sich das Wasser wärmer als die Luft anfühlte, doch sie spürte seinen Druck auf ihrer Brust, als wäre sie schon unter der Oberfläche. Ihr Unterleib zog sich zusammen. Er brachte sie unter Wasser. Sie konnte nicht atmen.
Ihre Hände legten sich schützend über ihren Bauch, und sie blieb stehen.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Dylan.
»Ich kann nicht …« Aber sie hatte Angst. Schreckliche Angst. »Das Baby.«
»Baby«, wiederholte er tonlos.
Sie antwortete nicht, konnte es nicht. Sie stand da, mit klappernden Zähnen, und zitterte in der Dunkelheit wie ein Hund.
Er drehte sie zu sich herum. Seine Finger streichelten ihre Wange. Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. Wollte er sie küssen? Jetzt? Warum nicht? Sie wollte es auch. Entweder war er hier – der einzige Mann, der jemals da gewesen war, wenn sie ihn brauchte – oder sie träumte. Sie wollte, dass er sie küsste, bevor das Wasser sie mit sich forttrug.
Sein Atem strich über ihre Lider, über ihre Lippen, heiß, berauschend, salzig-süß. Sie stellte sich ein wenig auf die Zehenspitzen, um ihm näher zu sein, aber er entglitt ihr. Sie spürte wieder das Seehundfell, im Wasser zwischen ihnen; es bewegte sich mit der Strömung und wallte schwer gegen ihre Beine.
»Halt dich fest«, sagte er.
Und dann war er weg.
Sie schrie vor Schreck und Verlassenheit auf, tastete umher, streckte die Arme in dem schwarzen Wasser nach ihm aus. Das Seehundfell trieb unter ihren Händen dahin, dick, weich, träge. Ihre Finger griffen reflexartig zu.
Halt dich fest.
Seine Stimme? Ihre?
Das Fell bewegte sich mit dem Wasser, als hätte es Gewicht und Form, Muskeln und Masse. Ihre Hände gruben sich tiefer in seine Falten. Es war riesig. Warm. Pulsierte vor Leben. Der geschmeidige Pelz glitt unter und an ihr entlang wie ein Hund, der sie anstupste, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ein wirklich großer Hund. Sie hielt den Atem an, als sie den festen Körper unter ihren Händen spürte, und dann riss es sie von den Füßen und unter Wasser.
Ein wirres Rauschen erfüllte ihre Ohren, ihren Kopf. Sie konnte nicht denken, hatte kaum Zeit, sich zu fürchten. Sie schien nichts zu wiegen, ihr war warm, und sie wurde von dem kraftvollen Körper unter sich, von dem Wasser, das über ihr und um sie herum floss und brodelte, aufrecht gehalten und gestützt. In ihrem Kopf drehte sich alles. Ihr Griff wurde noch fester. Die Dunkelheit wurde grau und dann golden, und schließlich explodierte sie in gleißendes Tageslicht.
Die untergehende Sonne ergoss ihr Licht über die Felsen, und Regina fand sich gestrandet auf einem Granitblock wieder, während der Tag in pink- und goldfarbenen Streifen am Horizont versank und ein massiges Ding … eine Gestalt … warm, schwarz, geschmeidig … neben ihr lag. Sie blinzelte. Keuchte. Hob den Kopf. Drückte sich hoch auf die Ellbogen.
Ein heftiger Hustenanfall schüttelte sie. Hilflos würgte sie, während Spasmen ihren Brustkorb zusammendrückten. Ihr Kopf explodierte. Ihre Lungen rasselten. Tränen strömten aus ihren Augen.
Als sie die Augen mit Mühe wieder öffnete, kniete Dylan nackt neben ihr, und das Seehundfell lag leer auf dem Felsen.
Da verlor sie die Besinnung.
»Sie können jetzt zu ihr«, sagte die Ärztin.
Endlich.
Dylan erhob sich.
Als er Regina in die Praxis getragen hatte, war ihm nicht klar gewesen, dass man ihm nicht gestatten würde, an ihrer Seite zu bleiben. Aber er hatte erkannt, dass sie mehr Hilfe brauchte, als er sie ihr bieten konnte. Medizinische Hilfe. Menschliche Hilfe.
Er hatte Regina die nasse Kleidung ausgezogen und sie in sein Hemd gehüllt, bevor er sie zum nächsten Haus getragen hatte. Ein Blick auf die Bewusstlose in seinen Armen, und die Frau, die dort wohnte, hatte den Notruf gewählt.
Caleb kam mit eingeschaltetem Blaulicht, fuhr beide in die Praxis und blieb bis nach Ende der Sprechstunde um fünf Uhr nachmittags, um den Bericht der Ärztin abzuwarten. Aus Sorge? Oder um Regina zu vernehmen, sobald sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte?
Antonia Barone traf ebenfalls ein und ging rauchend auf dem Bürgersteig vor dem Eingangsbereich auf und ab.
Nick war mit seiner Großmutter gekommen. Er vertiefte sich in irgendein Videospiel, die Daumen in ständiger Bewegung, das Gesicht unbewegt und weiß, vollkommen auf die schimmernde Mattscheibe konzentriert. Als ob die Zukunft der Welt von seiner Fähigkeit abhinge, die kleinen bösen Buben ins Vergessen zu kicken. Während der
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