Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
Ballon. Es hatte libellenflügelartige Seitenruder, vier an der Zahl, die unterhalb des Passagierteils hervorragten. Am Heck befand sich ein kleiner Dampfmotor mit Propeller, doch der Kapitän musste mithilfe von zahlreichen Hebeln und Ruderpinnen steuern, was ihn einen hektischen Tanz aufführen ließ. In Sachen Zweckmäßigkeit glich es jenen kleinen Kähnen zum Überqueren der Themse, wie sie von kriminellem Gelichter bevorzugt wurden. Giffard hatte vor Kurzem eine neue Flotte von ihnen auf den Markt gebracht, zu luxuriösen Preisen, damit die Wohlhabenden in privaten Flugverkehr investierten. Alexia fand diese Fluggeräte würdelos, nicht zuletzt deswegen, weil es keine Tür gab. Man musste tatsächlich über die Reling der Gondel klettern, um hineinzugelangen. Man stelle sich das nur vor: erwachsene Leute, die kletterten! Aber wenn man in einer Gasse mit brennenden Lagerhallen und einem Amok laufenden Oktomaten gestrandet war, konnte man nicht wählerisch sein.
Zwei Gestalten im Innern des Hutes beugten sich über den Rand und deuteten auf sie.
»Huhu!«, jodelte einer von ihnen heiter.
»Hierher! Schnell, Gentlemen, bitte, hierher!«, rief Alexia aus vollem Halse, während sie wie wild mit ihrem Schirm winkte.
Der andere Gentleman im Korb berührte grüßend die Krempe seines Zylinders (den Hut zu lüpfen war unmöglich, da er für die Luftreise am Kopf festgebunden war). »Lady Maccon!«
»Beim alten George – Boots! Wie, zum Kuckuck, kannst du nur sagen, dass das da unten Lady Maccon ist?«, fragte einer der anderen zylindertragenden Gentlemen.
»Wer sonst würde denn in einer Vollmondnacht mitten auf der Straße stehen, in der ein Häuserbrand tobt, und mit einem Sonnenschirm herumwedeln?«
»Gutes Argument, gutes Argument.«
»Lady Maccon!«, rief Boots. »Hätten Sie gern eine Mitfahrgelegenheit?«
»Mr Bootbottle-Fipps!«, entgegnete Alexia in frustrierter Verzweiflung. »Wie können Sie nur so eine alberne Frage stellen?«
Mit einem sanften Ruck setzte die Gondel des Luftschiffs auf, und Alexia watschelte darauf zu.
Boots und der zweite Dandy, der sich als der Viscount Trizdale herausstellte, hüpften behände heraus und kamen ihr zu Hilfe. Tizzy war ein schmächtiger, feminin wirkender junger Blondschopf, mit einer aristokratischen Nase und einer ausgeprägten Vorliebe für die Farbe Gelb. Boots hatte ein wenig mehr in Sachen Statur und Geschmack zu bieten, allerdings nicht allzu viel.
Lady Maccon blickte von einem Gentleman zum anderen und dann auf die Bordwand der Gondel, die es zu erklimmen galt. Mit großem Widerwillen und dem Wissen, dass sie keine Wahl hatte, übergab sie sich den gut manikürten Händen der Gentlemen.
Niemand der an diesem Abend anwesenden Herren würde jemals auch nur andeuten, was alles getan werden musste, um die hochschwangere Lady Maccon in den Passagierkorb zu befördern. Es gab einiges an Geschiebe und eine gehörige Menge Gekreische (sowohl von Alexia als auch von Tizzy), und möglicherweise wurde Hand an Stellen der Anatomie gelegt, deren Berührung weder Alexia noch ihren Rettern angenehm waren. Allerdings war Lady Maccon Lord Akeldama dankbar dafür, dass er seine Drohnen trotz all ihrer modischen Neigungen auch sportlichen Aktivitäten nachgehen ließ.
Alexia landete auf ihrer Tournüre, die Füße leicht in der Luft, und zappelte ein wenig herum, bevor es ihr gelang, sich auf die Seite zu rollen und sich mühsam auf die Beine zu rappeln. Sie hatte ein ziemlich heftiges Seitenstechen, ein paar blaue Flecken in den unteren Gefilden, und ihr war heiß von der Hitze und der Anstrengung, aber alles andere einschließlich des Kindes schien in Ordnung. Die beiden jungen Männer sprangen nach ihr ebenfalls zurück in die Gondel.
»Was machen Sie hier?«, verlangte Lady Maccon zu wissen, immer noch schockiert darüber, dass ihr Plan, um Hilfe zu signalisieren, tatsächlich funktioniert hatte. »Hat mein Gatte Sie beide auf meine Fährte gesetzt?«
Tizzy und Boots sahen einander an.
Schließlich gestand Boots: »Es war nicht nur der Earl, Lady Maccon. Unser Herr bat uns ebenfalls, Sie heute Abend im Auge zu behalten. Er deutete an, dass es bei Vollmond zu Ereignissen kommen könnte, die eine zusätzliche Kontrolle in diesem Teil Londons erforderlich machen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Oh, vergessen Sie, dass ich gefragt habe. Woher weiß denn Lord Akeldama das alles?« Die Fähigkeit, logisch zu denken, kehrte zusammen mit ihrer Würde zurück,
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