Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
Backenbart plusterte sich in der Brise auf.
Alexia klimperte unschuldig mit den Wimpern. »Feuer? Welches Feuer?«
»Ach, so ist das …«
Lady Maccon wandte sich um und konnte die riesige Gestalt des Oktomaten ausmachen, wie er direkt unter ihnen am Hyde Park hinter Apsley House um die Ecke schlingerte. Aber mit einem weiteren Zug am Hebel machte das Luftschiff einen Satz nach vorn und nach Mayfair hinein und ließ den Amok laufenden Oktopus weit hinter sich. Die Drohnen, die das große, zerstörungswütige Untier natürlich bemerkt hatten, wechselten besorgte Blicke, bevor sie darauf bestanden, dass Alexia ihnen alles darüber erzählte.
Das Westminster-Haus war eines von vielen ähnlich eleganten Domizilen in Mayfair. Es befand sich am Ende des Häuserblocks und ein wenig abgesetzt von den anderen Gebäuden, aber ansonsten wirkte es völlig normal in dieser Straße. Vielleicht war der Garten ein wenig zu gut gepflegt, und die Fassade wirkte ein wenig zu frisch gestrichen, aber nicht mehr, als man es von den äußerst Wohlhabenden erwarten durfte. Es war eine sehr gute Adresse, aber nicht zu gut, und das Haus war groß genug, um die Countess, die wichtigsten Mitglieder ihres Stocks und ihre Drohnen zu beherbergen, aber nicht zu groß.
In dieser Vollmondnacht ging es dort allerdings geschäftiger zu als gewöhnlich, eine Reihe von Kutschen fuhren vor, und ein paar der höchsten und fortschrittlichsten Politiker, Aristokraten und Künstler der feinen Gesellschaft stiegen aus. Alexia als Muhjah wusste (was andere vielleicht nicht taten), dass die Versammelten allesamt zur Enklave der Vampire gehörten oder von ihnen beschäftigt wurden oder anderweitig in ihrem Dienst standen. Sie waren in ihren besten Staat gekleidet, die hohen Krägen gestärkt, die Kleider tief ausgeschnitten, die Hosen enganliegend und die Tournüren wohlgeformt. Es war eine Parade von Rang und Ansehen – weniger würde Countess Nadasdy auch nicht dulden.
Mit dem Luftschiff einzuschweben war gewiss eine elegante Weise, bei einer Gesellschaft zu erscheinen, aber in einer Straße, die verstopft war mit Privatkutschen und Mietdroschken, war es alles andere als praktisch. Als sich das Luftschiff näherte, scheuten ein paar der Pferde, bäumten sich auf und wieherten. Kutschen krachten in dem Bemühen, Platz zu schaffen, gegeneinander, was eine Menge Geschrei zur Folge hatte.
»Wer glauben die denn, dass sie sind, hier so aufzutauchen?«, rief ein älterer Gentleman.
Vampire investierten gern in die neuesten Erfindungen, und sie unterhielten äußerst bemerkenswerte Handelsbeziehungen mit der East India Company, aber im Grunde ihres Herzens waren sie Traditionalisten. Ebenso wie ihre Gäste. Denn ganz gleich, wie sehr in Mode ein privates Luftschiff sein mochte, niemand von ihnen billigte es, wenn es mit seiner aufgeblasenen Neuartigkeit die eigene würdevolle Ankunft störte. Davon aber abgesehen ließ sich wohl nicht vermeiden, dass das Luftschiff landete, ob es ihnen nun gefiel oder nicht, und demzufolge machte man letztendlich Platz.
Die Gondel setzte vor dem schmiedeeisernen Zaun des Hauses auf, woraufhin sich Lady Maccon in einer Zwangslage befand. Sie musste über die Bordwand des Passagierkorbs steigen, um aus der Gondel zu gelangen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass dies weniger beschämend sein könnte als das Einsteigen. Sie wollte die ganze Prozedur nicht noch einmal durchleiden, ganz zu schweigen davon, dass all die illustren Personen sie dabei angestarrt hätten. Andererseits glaubte sie, das Krachen des sich nähernden Oktomaten bereits hören zu können, und so blieb ihr keine Möglichkeit, Rücksicht auf irgendjemandes Schicklichkeit zu nehmen, nicht einmal ihre eigene.
»Mr Bootbottle-Fipps, Viscount, wenn Sie so freundlich wären?« Sie blies die Backen auf und wappnete sich für die Demütigung.
»Natürlich, Mylady.« Der stets eifrige Boots trat herbei, um ihr behilflich zu sein. Tizzy bewegte sich mit weniger Eilfertigkeit. Als sie sich bereit machten, sie über den Rand der Gondel zu hieven (man konnte es wirklich nicht anders ausdrücken), und Alexia schon befürchtete, einmal mehr auf ihrer übel malträtierten Tournüre zu landen, erschien ihr Retter.
Zweifellos von den missbilligenden Rufen alarmiert und davon, dass das hektische Treiben auf der Straße noch schlimmer geworden war, trat Miss Mabel Dair aus dem Haus und verharrte auf der Vordertreppe, dramatisch in Szene gesetzt vom hell erleuchteten
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