Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
Inneren des Hauses, im Mittelpunkt der Bühne. Sie trug ein altgoldfarbenes Abendkleid mit einem tiefen rechteckigen Ausschnitt, besetzt mit Rüschen aus schwarzer Spitze und rosafarbenen Seidenröschen. In ihre Frisur waren frische Rosen eingearbeitet, und ihre Tournüre war üppig – die gewagteren Trends aus Paris mit ihren kleineren Tournüren und eng geschnittenen Miedern waren nichts für sie. O nein, hier unter den wachsamen Augen ihrer Herrin kleidete sich selbst eine Schauspielerin wie Miss Dair sittsam.
Lady Alexia Maccon, die an der Bordwand des Passagierkorbs eines Luftschiffs stand, sah aus, als laufe sie unmittelbar Gefahr, sich nicht an die Regeln von Anstand und Sitte zu halten.
»Aber, Lady Maccon, wie entzückend!«, rief Miss Dair auf der Vordertreppe mit ihrer Bühnenstimme, um den Lärm der überfüllten Straße zu durchschneiden. »Wir haben gar nicht mehr mit Ihrem Erscheinen gerechnet. Ganz besonders nicht in solch einem ausgefallenen Transportmittel.«
»Guten Abend, Miss Dair. Ja, es ist ziemlich schick, nicht wahr? Unglücklicherweise eröffnen sich mir gewisse Schwierigkeiten beim Aussteigen.«
Miss Dair biss sich auf die Lippe, um sich ein Lächeln zu verkneifen. »Lassen Sie mich Hilfe holen.«
»Ach, vielen Dank, Miss Dair, aber ich bin wirklich ein wenig in Eile.«
»Aber natürlich, Lady Maccon.« Die Schauspielerin wandte sich dem Haus zu und gab mit einer satinbehandschuhten Hand ein knappes Zeichen. Nur wenige Augenblicke später drehte sie sich wieder um und schritt die Stufen hinunter, gefolgt von einer regelrechten Horde würdevoll aussehender Lakaien, die sich allesamt Lady Maccon annahmen, und zwar auf eine Weise, wie sie es bei jeder im Hause anfallenden Aufgabe taten: Mit todernsten Gesichtern und nicht einem Hauch von aufflackernder Belustigung hoben sie die schwangere Lady aus der Gondel.
Sobald Alexia ihre Freiheit wiedergewonnen hatte, tippte sich Boots mit einer grau behandschuhten Hand an die Hutkrempe. »Wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Abend, Lady Maccon.«
»Sie werden mich nicht begleiten?«
Boots wechselte einen vielsagenden Blick mit Mabel Dair. »Nicht bei dieser speziellen Gesellschaft, Mylady. Wir würden die Angelegenheit …«, er machte eine gezierte Pause, »… verkomplizieren.«
Lady Maccon nickte verstehend. Es gab Orte, an die selbst Lord Akeldamas Drohnen – trotz ihrer erstaunlichen Fähigkeit, ansonsten allgegenwärtig zu sein – nicht verkehren konnten.
Mabel Dair bot Lady Maccon ihren Arm, und Alexia ergriff ihn dankbar, obwohl sie mit der freien Hand den Sonnenschirm fester umklammerte. Immerhin betrat sie das Haus eines Vampirstocks, und abgesehen davon, dass sich die Vampire an die strengen Regeln der feinen Gesellschaft hielten, hatten sie ihrer Seelenlosigkeit nie irgendeine Art von Akzeptanz entgegengebracht. Mit einer Ausnahme hatte Lady Maccon dieses Haus bisher immer in Begleitung ihres Ehemannes besucht. An diesem Abend kam sie allein. Miss Mabel Dair mochte Alexia zwar stützend den Arm reichen, aber Lady Maccon wusste sehr genau, dass die Schauspielerin ihr nicht auch noch den Rücken freihalten würde.
Zusammen betraten die beiden Frauen die Gesellschaft.
Das Haus selbst hatte sich seit Alexias allererstem Besuch nicht verändert. Im Innern war es weit luxuriöser, als sein Äußeres vermuten ließ, wobei diese Zurschaustellung von Wohlstand überaus geschmackvoll war, ohne den leisesten Hauch, vulgär zu sein. Dicke und weiche Perserteppiche in dezenten Mustern aus dunklem Rot waren perfekt aufeinander abgestimmt, und wahre Meisterwerke hingen an den Wänden; sie reichten von zeitgenössisch abstrakten Stücken bis hin zu einem Gemälde, das nur von Tizian sein konnte und eine entspannt ruhende Dame mit porzellangleicher Haut zeigte. Alexia wusste, dass die Kunstwerke dort hingen, weil sie die Bilder schon früher gesehen hatte. Diesmal, als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnte, verwehrten ihr aufgetürmte Frisuren und blumenbesetzter Kopfputz den Blick darauf. Tatsächlich hatten einige der Gäste auf den edlen Mahagonimöbeln Platz genommen, und die vielen Büsten von römischen Senatoren und Statuen ägyptischer Gottheiten waren zu nichts weiter als steinernen Mitgliedern der dicht beieinanderstehenden Gästeschar geworden.
»Meine Güte!«, rief Alexia ihrer Begleiterin über das laute Geplapper unzähliger Unterhaltungen hinweg zu. »Das hier ist ein ziemliches Gedränge.«
Die Schauspielerin
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