Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
anzutreten, um sich in Sicherheit zu bringen. Schließlich war sie praktisch genug veranlagt, um zu erkennen, wann nicht einmal mehr sie etwas ausrichten konnte. Also wandte sie sich nach Süden, auf den Fluss zu.
Während Alexia dahinhumpelte, schwirrte ihr der Kopf vor Verwirrung. Warum hatte Madame Lefoux eine solche Kreatur gebaut? Sie war im Großen und Ganzen eine Frau mit Feinsinn, sowohl was das Leben als auch die Kunst betraf. Und warum stakste dieses Monstrum nach Norden und nicht nach Osten auf den Buckingham Palast zu? Königin Victoria verließ bei Vollmond nie die Sicherheit ihres Palastes – es war einfach eine zu wilde Nacht für ihr gesetztes Gemüt. Wenn Madame Lefoux einen Anschlag auf das Leben der Königin verüben wollte, dann lief sie in die falsche Richtung. Alexia runzelte die Stirn. Ich übersehe hier eindeutig etwas. Entweder etwas, das Genevieve gesagt oder nicht gesagt hat, oder etwas, das die Ehemalige Lefoux gesagt oder nicht gesagt hat. Oder …
Unvermittelt blieb Lady Alexia Maccon wie angewurzelt stehen und klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn. Zum Glück war es die Hand, die Ethel hielt, und nicht die Hand mit dem Sonnenschirm, sonst hätte sie sich womöglich noch Schaden zugefügt.
»Aber natürlich! Wie konnte ich nur so dumm sein? Es ist die falsche Königin!«
Sie setzte sich wieder in Bewegung, und ihr Verstand arbeitete nun messerscharf wie die Zähne einer eisernen Schlagfalle. Das hieß, einer Schlagfalle von der Sorte, die mit einer Sprungfeder funktionierte und daher nicht sehr empfindlich eingestellt wurde. Lady Maccon war niemand, der allzu viele Dinge gleichzeitig tun konnte, ganz besonders nicht im Augenblick, aber sie war einigermaßen davon überzeugt, sich auf zwei Beinen fortbewegen und gleichzeitig denken zu können.
Die ursprüngliche Gespenster-Botin hatte nie wirklich von Königin Victoria gesprochen, und das hatte auch nicht die Ehemalige Lefoux. Genevieve Lefoux und ihr Oktomat hatten es nicht auf die Herrscherin des britischen Empire abgesehen, o nein, ihr Ziel war die Königin eines Vampir-Stocks. Das ergab auch viel mehr Sinn. Genevieve hatte die Vampire noch nie gemocht, und diese Ablehnung hatte sich noch verfestigt, seit sie Angelique korrumpiert hatten (obwohl Madam Lefoux stets ihr Geld angenommen hatte). Bedachte sie ihre komplizierte gemeinsame Geschichte mit dieser schwierigen französischen Zofe mit den veilchenblauen Augen, hätte Alexia gutes Geld darauf verwettet, dass Genevieve es auf Countess Nadasdy abgesehen hatte. Das stimmte auch mit der nördlichen Richtung überein, in die ihr Monstrum stakste, nämlich auf Mayfair zu. Irgendwie hatte Madame Lefoux herausgefunden, wo sich das Westminster-Haus befand.
Ein weiteres Rätsel. Die Lage eines Vampirhauses war ein wohlgehütetes Geheimnis. Alexia selbst kannte sie natürlich, aber nur, weil …
»Oh, Alexia, du Närrin!« Der Diebstahl auf Woolsey! Madame Lefoux musste der Dieb gewesen sein und diese alten Briefe gestohlen haben, denn unter ihnen hatte sich Countess Nadasdys allererste Einladung an Alexia befunden. Die war ihr damals von Mabel Dair im Hyde Park übergeben worden, an jenem Nachmittag, nachdem Alexia ihren ersten Vampir getötet hatte, und darin war die Adresse des Vampirhauses angegeben gewesen. Und Alexia hatte törichterweise nie daran gedacht, die Einladung zu vernichten. Wann habe ich Genevieve diese Geschichte erzählt?
Verzweifelt sah sich Lady Maccon in der leeren Straße um. Sie musste so schnell wie möglich zum Westminster-Haus gelangen. Sie hatte sogar eine Einladung, sodass man sie sogar einlassen würde, jedoch keine Möglichkeit, rechtzeitig dort hinzukommen, um die Vampir-Königin vor ihrem drohenden tentakelbewehrten Verhängnis zu warnen. Sie war in der Halbzivilisation von Belgravia gestrandet!
Alexia watschelte schneller.
Hinter ihr breitete sich das Feuer weiter aus und erhellte die zuvor düstere Gasse mit flackerndem orange-gelben Schein. Zu dem Getöse einstürzender Gebäude und brüllender Flammen gesellte sich die laut bimmelnde Glocke eines sich nähernden Feuerlöschwagens. Eines der Luftschiffe am Himmel musste die Feuersbrunst entdeckt und eine Botschaft an die zuständigen Behörden abgeworfen haben. Das veranlasste Alexia dazu, sich noch schneller zu bewegen. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, dass man sie aufhielt und von ihr verlangte, dass sie ihre Anwesenheit bei den Pantechnicon-Hallen
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