Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
hauptsächlich Verkäufe, die die Köchin an verschiedene Personen getätigt hatte, alles mit Symbolen, Initialen, Abkürzungen und Nummern verschlüsselt. Alexia vermutete, nachdem sie auch die Notizbücher gelesen hatte, dass die Köchin selbst ehrenhalber ein Mitglied des OMO gewesen war. Ihre Interessen konzentrierten sich auf jene Präparate, die man nicht einfach bei Apothekern und Pharmazeuten kaufen konnte. Solche Flüssigkeiten zum Beispiel, wie Madame Lefoux sie für das Arsenal von Alexias Sonnenschirm verwendete, und vielleicht auch andere, noch tödlichere Tinkturen.
Das neueste Notizbuch, nicht beendet und nicht hilfreich, beinhaltete nur die zunehmend verwirrten Ansichten einer alternden Frau, die einem ihrer eigenen Gebräue zu erliegen schien, entweder unfreiwillig oder aufgrund eines verwirrten Geistes. Es ließ sich unmöglich sagen, ob sie tatsächlich das Gespenst war, das zu Lady Maccon gekommen war, um sie zu warnen, aber es war eine ebenso gute Spur wie jede andere. Alexia nahm aber an, dass sie die Geisterfrau war, und entschied sich, entsprechend weiter vorzugehen.
Das ältere Notizbuch allerdings zog ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf sich. Ein Eintrag trug ein Datum von vor etwa zwanzig Jahren. Darin sann die Frau interessiert über eine neue Bestellung nach. Eine Bestellung über Zutaten, die per Post, der Sicherheit wegen in getrennten Päckchen, an ein Werwolfsrudel in Schottland gesendet werden sollten. Zeit und Ort erinnerte Alexia an jenen Verrat, von dem ihr Ehemann schmerzgeplagt erzählt hatte. Es war der Verrat, der ihn veranlasst hatte, das Kingair-Rudel zu verlassen und Woolsey zu übernehmen. Er war so überaus niedergeschlagen deswegen gewesen. »Ich erwischte sie dabei, wie sie das Gift zusammenmischten«, hatte er erzählt. »Gift, wohlgemerkt! Gift hat im Revier oder in Rudelangelegenheiten nichts zu suchen. Es ist keine redliche Art, jemanden zu töten, ganz zu schweigen einen Herrscher.« Alexia war sich damals bewusst gewesen, dass sich schwerlich eine Verbindung zwischen beiden Ereignissen nachweisen ließ, aber die übereinstimmenden Daten reichten für sie als Beweis. Es musste sich um jenes Gift handeln, das vor langer Zeit Königin Victoria hatte töten sollen.
»Erstaunlich«, sagte sie in das leere Zimmer hinein, als sie die belastende Stelle noch einmal las. Sie griff nach ihrer Teetasse und nahm einen Schluck. Der Tee war kalt, sie verzog das Gesicht und setzte die Tasse wieder ab. Kurz vergewisserte sie sich, ob der Rest auf dem Teewärmer ebenso lauwarm war, dann zog sie an der Klingelschnur.
Floote erschien wie aus dem Nichts. »Madam?«
»Bitte frischen Tee, Floote, wären Sie so freundlich?«
»Selbstverständlich, Madam.«
Er verschwand und erschien nach wundersam kurzer Zeit wieder mit einer frisch aufgebrühten Kanne und – sehr zu Lady Maccons Freude – einem kleinen Stück verführerisch aussehendem Kuchen.
»Oh, vielen Dank, Floote! Ist das Zitronenbiskuit? Wunderbar! Sagen Sie mir, ist von den Herren schon jemand wach?«
»Ich glaube, Mr Rabiffano und der Professor stehen gerade auf.«
»Mr Rabiffano, wer ist denn …? Oh, Biffy! Mein Gatte also noch nicht?«
»Schwer zu sagen, Madam, da er sich im anderen Haus befindet.«
»Ach ja, natürlich, wie dumm von mir.« Lady Maccon wandte sich wieder der Lektüre des kleinen Notizbuches zu.
»Wünschen Sie sonst noch etwas, Madam?«
»Ich frage mich, Floote: Warum das Gift aus London bestellen? Warum sich nicht der niederen Elemente am Heimatort bedienen, die über solch verderblichen Bedarf verfügen.«
»Madam?«
»Was ich damit meine, Floote, rein hypothetisch: Warum extra Gift von einem Ort liefern lassen, nur um es am Ende wieder dorthin zurücktransportieren zu müssen, um die niederträchtige Tat zu verüben? Obwohl die Königin zu jenem Zeitpunkt Schottland natürlich besucht haben könnte. Aber dennoch, warum den ganzen Weg in Kauf nehmen?«
»Jeder bestellt aus London, Madam«, entgegnete Floote äußerst entschieden, obwohl er keine Ahnung von den Einzelheiten hatte, die hinter ihrer Frage steckten. »So ist es Brauch.«
»Ja, aber wenn man Angst hätte, erwischt zu werden?«
Obwohl er nicht in alle Fakten eingeweiht war, meinte Floote dennoch, an dieser Art Überlegung teilhaben zu können. »Vielleicht wollte man erwischt werden, Madam.«
Lady Maccon runzelte die Stirn. »O nein, ich glaube kaum, dass …«
Das Wort wurde ihr durch die Ankunft von Professor Lyall
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