Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
diese rasende Eifersucht? Greysteel kannte die Antwort, hatte sie immer gekannt. Heute wollte er sich ihr offen stellen.
Seit dem Tag ihrer Verlobung hatte Velvet ihn mit Charles Stuart verglichen, und der Vergleich war zu seinen Ungunsten ausgefallen. Als Kind hatte sie sich in einen Prinzen verliebt, und im Laufe der Jahre des gemeinsamen Exils waren alle ihre Wünsche, alle ihre Träume auf Charles’ Rückkehr konzentriert. Sie war von ihm besessen.
Obwohl er sie zur Ehe gezwungen hatte, wusste er, dass Velvet die Heirat nicht bereute. Sie war nicht nur stolz, die Gemahlin des Earl of Eglinton zu sein; sie fühlte sich körperlich stark zu ihm hingezogen. Doch sie liebte ihn nicht. Schlimmer noch, sie bildete sich ein, in Charles verliebt zu sein. So konnte es nicht weitergehen. Er besaß zu viel Mannesstolz, um zu dulden, dass er nicht ständig und an erster Stelle in Velvets Herzen und Seele stand. Wenn sie nicht gewillt war, ihm alles zu geben, dann wollte Greysteel lieber gar nichts.
Als Velvet am Morgen erwachte, war ihr Gatte schon fort. Sie hatte länger als sonst geschlafen, und ihre Mundwinkel hoben sich. Umsichtig wie immer hatte Greysteel darauf geachtet, sie nicht zu wecken.
Christian kam nach Whitehall, um ihr beim Lunch Gesellschaft zu leisten, anschließend war ein gemeinsamer Einkaufsbummel am New Exchange am Strand geplant. »Ich freue mich schon auf den kleinen Streifzug. Ich war seit Wochen nicht mehr in London«, erklärte Velvet.
»Ach, meine Liebe, du wirst die Stadt nicht wiedererkennen. Alles wurde verändert. Natürlich sind die Kopfsteinpflasterstraßen noch immer heruntergekommen, von seit Jahrhunderten verfallenden Häusern gesäumt, jetzt aber gibt es an jeder Ecke eine Kneipe, die sich King’s Head oder King’s Cock nennt – nein, Letzteres war ein Bordell.«
Velvet lachte über ihren Witz. »Keine religiösen Fanatiker mehr, die Buße und Höllenstrafen predigen?«
»Ich möchte wetten, dass dieselben Leute an denselben Ecken stehen, doch anstatt einen mit frommen Traktaten bekehren zu wollen, möchten sie einen jetzt mit obszönen Versen, einen Penny pro Seite, verderben!«
»Ich kann es kaum erwarten, verdorben zu werden. Los, gehen wir.«
»Ach, du musst eine Maske nehmen. Die sind jetzt groß in Mode. Dann argwöhnen alle, dass du zu einem Stelldichein gehst. Keine Frau mit Selbstachtung lässt sich ohne Maske erwischen.«
»Ich besitze nur eine schwarze, mit Ziersteinen benähte Schmetterlingsmaske. Die passt eher zu Abendkleidung.«
»Sie wird perfekt sein. Was die Mode jetzt bietet, ist so unerhört, dass du eine Maske brauchst, um dein Erröten zu verbergen.«
Als die Kutsche der Witwe sich quälend langsam den Weg zum gedrängt vollen Strand bahnte, war Velvet fasziniert von den Veränderungen, die sie sah. Die Menschen lachten, rempelten einander an, tauschten deftige Beleidigungen aus und lachten darüber. Die einst in Schwarz-Weiß getauchten Straßenszenen waren nun farbig, von den phantastischen Ladenschildern bis zur bunten Kleidung der Männer und Frauen, die hier paradierten.
Auch die Verkaufsstände im Inneren des Exchange boten ein völlig anderes Bild, da nun alle nur erdenklichen, aus dem Ausland importierten Waren angeboten wurden. Christian war im siebenten Himmel, als sie sich Satinslipper und Lederstiefel kaufte. »Diese Stelzschuhe muss ich unbedingt haben. Sie heben den Fuß über die Kloake im Rinnstein.« Auf Velvets skeptische Miene hin erklärte sie todernst: »Nur für den Fall, dass ich mich zu einem Spaziergang auf der Straße entschließe.«
Velvet erstand französisches Parfüm und spinnwebfeine Spitzenstrümpfe. Weiters kaufte sie eine neue Maske, ein paar bunt eingefärbte Straußenfedern und einen mit Rüschen gezierten Sonnenschirm.
Zurück in Whitehall stieg sie aus und bedankte sich bei Christian für den schönen Nachmittag. »Ich habe mich herrlich unterhalten. Wir müssen den Ausflug bald wiederholen.«
»Lebe wohl, meine Liebe. Gib deinem hübschen Mann einen Kuss von mir.«
Velvet lief hinauf und verstaute ihre Neuerwerbungen. Ihr blieb nur Zeit, um Hände und Gesicht zu waschen und sich umzukleiden, ehe sie hinunterlief, um mit ihrem Mann das Dinner einzunehmen.
Sie erblickte seine hohe Gestalt am anderen Ende des Saales, und als sie zu ihm ging, fiel ihr auf, dass er sie nicht mit einem Lächeln begrüßte. Tatsächlich drehte er sich um und ließ sie stehen. Sie beeilte sich, um die Distanz zwischen ihnen zu
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