Fever Pitch
die sind halbprofessionell und spielen nicht die Rolle, die sie bei uns haben. Die erste Liga hat Vorrang, und die Atmosphäre im Fußball ist deshalb entspannter.)
Im Verlauf der Jahre ist es dazu gekommen, daß wir Fußball mit etwas anderem, etwas Notwendigerem verwechseln, und das ist auch der Grund, warum diese Schreie der Empörung so von Herzen kommen und warum wir so aufgebracht sind. Wir betrachten alles von der Spitze eines Berges parteiischer Leidenschaft; es ist kein Wunder, daß all unsere Perspektiven falsch sind. Vielleicht war es Zeit, runterzukommen und zu sehen, was jeder andere in der Außenwelt sah.
Größtenteils war das, was die Außenwelt sah, von kaltem, hartem, praktischem Verstand geprägt. Das Titelblatt von THE ECONOMIST zierte in jener Woche ein Bild des merkwürdigen Reliquienschreins aus Blumen, Fahnen und Transparenten, den Liverpool- und Evertonfans und Hunderte andere im Torraum unterhalb des Kops in Anfield errichtet hatten; die Schlagzeile war, sauber über der Torlatte plaziert, »Das Spiel, das starb«. Ich kaufte die Zeitschrift, zum ersten und einzigen Mal, und war erschüttert, als ich feststellte, wie weit ich mit ihr einer Meinung war. Vielleicht war es abzusehen, daß eine Zeitschrift mit dem Namen THE ECONOMIST am besten ausgerüstet sein würde, das Durcheinander zu durchdringen, in das sich der Fußball gebracht hatte; schließlich ist er ein Millionen-Pfund-. Unternehmen, das keinen Penny freiwillig ausgibt.
THE ECONOMIST über die Unvermeidlichkeit der Katastrophe: »Hillsborough war nicht nur ein verheerendes Unglück. Es war die brutale Demonstration des Versagens eines Systems.« Über den Zustand der Stadien: »Britanniens Fußballstadien ähneln jetzt den Hochsicherheitstrakten von Gefängnissen, aber nur die schlaffen Verordnungen haben es den Clubs erlaubt, weiterhin so zu tun, als würde sich die Sicherheit der Zuschauer mit Gefängnisarchitektur vertragen.« Über die verantwortlichen Fußballfunktionäre:
»Was Selbstgefälligkeit und Inkompetenz anbetrifft, geht nichts über ein Kartell; und von Englands noch übriggebliebenen Kartellen ist die Fußballliga eines der nachlässigsten und blasiertesten.« Über die Leute, die Fußballclubs besitzen: »Wie altmodische Zeitungsmagnaten sind sie willens, für Prestige zu zahlen – das sie eher darin sehen, Starspieler zu besitzen, als komfortable, moderne Stadien.«
Und darüber, was getan werden muß: »Weniger Clubs zu haben, die in eleganteren Stadien agieren, sollte das Interesse derjenigen wiederbeleben, die in den vergangenen zehn Jahren vom Fußball vertrieben worden sind.«
Diese und andere Ansichten in der gleichen Ausgabe – sehr sachkundig, gut in der Argumentation, frei vom hinhaltenden Eigennutz der Fußballfunktionäre, von der Abneigung der Regierung gegen das Spiel (wenn Hillsborough sonst nichts bewirkt hat, wenigstens vernichtete es Thatchers grotesk schlecht konzipiertes Ausweissystem) und von der verzerrenden Besessenheit der Fans – halfen einem anzufangen, das ganze Debakel des Fußballs mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Erst nach Hillsborough, als Außenstehende anfingen, sich für die Art und Weise zu interessieren, in der sich der Fußball selbst verwaltet, wurde deutlich, wie tief wir alle mittlerweile darin verwurzelt waren, Dinge durch die Fußballbrille zu betrachten. Und diese Art der Betrachtung ist, wie Teile dieses Buches veranschaulichen, nicht immer die klügste.
Am 1. Mai, zwei Wochen und zwei Tage später, spielte Arsenal in Highbury gegen Norwich, unser erstes Spiel seit der Katastrophe. Es war ein herrlicher Nachmittag eines Feiertages, und Arsenal spielte erstaunlich gut und gewann 5:0. Soweit es jeden, der an diesem Tag dort war – mich eingeschlossen –, anging, schien die Welt wieder mehr oder weniger in Ordnung zu sein. Die Trauerzeit war vorbei, die Fernsehkameras waren da, die Sonne schien, Arsenal schoß jede Menge Tore … nach der Trostlosigkeit der vorangegangenen vierzehn Tage nahm das Spiel etwas Feierliches an. Es war eine müde, gedämpfte Feier, aber dennoch eine Feier, und aus der Distanz mutet das jetzt besonders bizarr an.
Woran dachten wir alle an diesem Nachmittag? Wie, um alles in der Welt, konnte das Spiel zwischen Forest und Liverpool je neu angesetzt werden? In gewisser Hinsicht gehört das alles zusammen. Ich konnte mich an dem Spiel zwischen Arsenal und Norwich aus dem gleichen Grund erfreuen, aus dem ich
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