Fey 01: Die Felsenwächter
Besuch die Förmlichkeit eines Ratstreffens der Lords annahm, aber wenn Matthias Anstalten machte, noch länger zu bleiben, würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben. »Es regnet doch erst seit zwei Tagen«, erwiderte Alexander.
»Auf den Feldern steht bereits das Wasser.« Matthias lehnte sich zurück, und seine schmale Gestalt verschwand beinahe zwischen den dicken Kissen. »Ich habe noch heute morgen mit einem Aud geredet, der als Pilger über die ganze Insel reitet, und er sagte, jedes Feld jenseits von Killenys Brücke gliche einem See.«
»Wissen Auds denn überhaupt, wie ein See aussieht?«
»Ihr seid wirklich schlechter Laune.« Laut schlürfend trank Matthias einen Schluck Glühwein. Das Geräusch hallte in dem leeren Raum wider.
Alexander schüttelte den Kopf. »Nein. Ich würde mich nur gerne entspannen.«
Matthias spähte über den Rand seines Bechers zu ihm hinüber, und seine blauen Augen glitzerten belustigt. »Seid Ihr heute abend besonders höflich? Ihr hättet mir sagen können, daß Ihr nicht wünscht, besucht zu werden. Dann wäre ich zum Tabernakel zurückgeritten.«
»Ich dachte, ich wäre Euch bei diesem Regen zumindest einen warmen Trank schuldig.«
»Den ich auch schon fast geleert habe.« Wieder nahm Matthias einen geräuschvollen Schluck. Immer noch redete er um den heißen Brei herum. Also mußte es sich um eine eher unangenehme Angelegenheit handeln.
»Nun«, sagte Alexander, fest entschlossen, Matthias zum Aufbrach zu zwingen, »Ihr habt Eure warmen Gemächer gewiß nicht nur verlassen, um mit mir über die Ernte zu reden. Erzählt mir von Nicholas. Deswegen seid Ihr doch gekommen, nicht wahr?«
Matthias nickte und umfaßte den Becher mit beiden Händen.
»Euer Sohn, Sire, hat das Herz eines Kriegers. Jeden Tag kommt er mit neuen Verletzungen und Narben zum Unterricht. Er ist entzückt über jede einzelne Wunde und würde die Zeit des Daniten mit ausführlichen Beschreibungen jedes Schnittes vergeuden, wenn ich ihn nicht unterbrechen würde.«
Wieder fuhr ein Windstoß herein und rüttelte an den Gobelins. Wo blieb eigentlich dieser vermaledeite Diener? Morgen früh würde die gesamte Dienerschaft eine Rüge erteilt bekommen, darum würde sich Alexander als erstes kümmern. »Ich weiß, daß Nicholas Spaß an den neuen Fechtstunden hat. Zeigt er denn mehr Interesse am Unterricht, seit er sich auch im Kampf schult?«
Matthias seufzte. »Er lernt, Sire, aber er widerspricht zu häufig. Er behauptet, die Religion habe keinen Einfluß auf seine Zukunft als König.«
Der Glaube hatte keine Bedeutung für seine Zukunft als König. Alexander umfaßte seinen Becher und spürte die Wärme des gebrannten Tons an den Fingern. Er wußte nicht recht, wie er seinem Sohn das Studium der Religion nahebringen sollte. Ohne die Rocaanisten wäre Alexander ein viel strengerer Regent. Schon oft hatten sich Alexander und die Ratsherren in einer Angelegenheit bereits geeinigt, als die Rocaanisten das Thema aufgriffen und den König durch ihre Gebete und geistlichen Einwände zu einer großmütigeren Entscheidung veranlaßten. Wenn Nicholas die subtile Beziehung zwischen Kirche und Staat nicht verstand, würde er als Regent nur wenig bewirken können.
»Ich werde mit ihm darüber sprechen«, sagte Alexander.
Die Tür wurde geöffnet, und ein Diener trat herein und verbeugte sich. Sein graues Haar war vom Schlaf zerwühlt, und er hatte sich in aller Eile einen zerknitterten braunen Umhang übergeworfen. Er trug keine Schuhe, und seine Füße waren vor Kälte rot angelaufen. »Entschuldigt, Euer Hoheit, daß ich mich so verspäte, aber der Regen hat die Küche überflutet und das Herdfeuer fast ausgelöscht.«
Das Feuer im Herd ging niemals aus. Die ganze Nacht über diente es zum Backen oder zur Zubereitung wohlschmeckender Soßen. Außerdem speiste diese zentrale Feuerstelle alle anderen Kamine im Palast.
Alexander nickte. »Auch uns droht hier eine Überflutung. Die Gobelins müssen dichter an die Fenster genagelt werden. Sie sind lose und bespritzen uns schon den ganzen Abend mit Regenwasser.«
»Bitte um Vergebung, Sire, ich werde es sogleich richten«, sagte der Diener und verbeugte sich abermals.
Er entfernte sich rückwärts gehend aus der Tür. Matthias nahm sein Barett und setzte es auf den Scheitel. »Ich gehe jetzt wohl besser, Sire.«
Alexander spürte, wie ihm diese Worte einen eigenartigen Stich versetzten. Obwohl er sich nichts mehr wünschte, als endlich allein zu sein,
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