Fey 02: Das Schattenportal
kamen noch näher. Die beiden Männer mußten draußen im Gang stehen. Er öffnete die Tür.
Der Korridor war hier ziemlich breit. Auf diesem Abschnitt standen keine Möbelstücke, lediglich an den Wänden hingen Porträts früherer Rocaans und Ältester. Matthias und der Rocaan blieben nur wenige Schritte vor Tel stehen, und beide sahen wie ertappt aus. Der Rocaan trug eine kleine Laterne, die ihre Gesichter erhellte. Matthias hatte ein Tablett mit Glasfläschchen in der Hand. Tel erstarrte. Er konnte die beiden nicht angreifen. Nicht, solange sie die einzige Sache bei sich trugen, die ihn umbrachte.
»Ich … äh … ich habe Stimmen gehört«, sagte er.
»Entschuldigt, Andre«, antwortete der Rocaan. Seine Stimme war so sanftmütig wie sein Blick. »Wir wollten Euch nicht wecken.«
Matthias hielt sich ein wenig im Hintergrund und lächelte nicht, als er Tel ansah. Sein Ausdruck wirkte eher vorsichtig. »Wir haben nicht damit gerechnet, daß noch jemand auf ist.«
Sie redeten leise. Auch die anderen Ältesten schliefen in diesem Flügel.
Das Messer wog schwer in Tels Tasche. Sein Blick fiel auf das Tablett mit dem Weihwasser, und er fragte sich, ob er ihm wohl entgehen könnte. »Gibt es Probleme?«
Der Rocaan wollte antworten, doch Matthias warf ihm einen warnenden Blick zu. Der Rocaan schien nicht darauf zu achten. »Wir haben herausgefunden, daß jemand das Weihwasser im Tabernakel gepanscht hat. Wir wollen es sofort austauschen.«
Tel spürte, wie sein Körper eiskalt wurde. Seine Hand glitt in die Tasche. Wenn sie ihn beschuldigten, würde er sie sofort anfallen, Weihwasser oder nicht. Sie würden ihn ohnehin damit bespritzen. Wenn sie es auf ihn abgesehen hatten, konnte er sich nicht mehr in Sicherheit bringen.
»Wie habt Ihr herausgefunden, daß es gepanscht war?« erkundigte er sich. »Ist etwas passiert?«
Der Rocaan schüttelte den Kopf. »Nein. Etwas ist nicht passiert.«
Andres Gedächtnis konnte mit dieser Bemerkung überhaupt nichts anfangen. Es gab keine körperlichen Reaktionen auf das Weihwasser – es sei denn, man war zufälligerweise ein Fey.
»Was meint Ihr damit?« Diesmal sah er Matthias an, der ihn aufmerksam musterte. »Waren etwa Fey anwesend? Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Das ist auch nicht nötig.« Matthias’ Stimme war kalt.
»Hört schon auf, Matthias«, sagte der Rocaan. »Er ist ein Ältester.«
»Und wir haben ihn den ganzen Tag noch nicht mit Weihwasser in Berührung gebracht. Ich verrate ihm keine Geheimnisse. Hättet Ihr etwas gegen einen kleinen Segen einzuwenden, Andre?«
Tels Finger legten sich um das Stilett. Er wußte nicht genau, wie ernst Matthias seine Drohung meinte. Hegte er bereits einen Verdacht? »Ein Segen wäre schon recht«, antwortete er und hoffte, daß seine Stimme nicht zu sehr zitterte. Zumindest würde es die beiden anderen Männer näher an ihn heranführen und ihm die Möglichkeit verschaffen, sie zu überrumpeln. Vielleicht.
»Ihr habt Euer Schwert nicht angelegt«, sagte Matthias mit leicht tadelndem Unterton. »Wenn wir Euch segnen sollen, müßt Ihr es erst holen.«
Tel berührte mit der freien Hand seine Brust und tat erstaunt darüber, daß das Schwert nicht an seiner Stelle war. Andre nahm sein Schwert niemals ab, doch Tel wollte beim Schlafen nichts um den Hals baumeln haben.
»Ich habe es abgelegt, weil es gegen einen Nagel geschlagen ist«, sagte er. »Ich dachte, es sei zerbrochen. Da habe ich wohl vergessen, es wieder anzulegen. Es liegt in meinem Zimmer. Ich hole es gleich. Möchtet Ihr hereinkommen?« Sein Körper zitterte, ebenso vor Angst wie vor Erwartung. Wenn er sie dazu bewegen konnte, dann würde es ihm auch gelingen, Matthias dazu zu bringen, das Tablett abzustellen und sich davon zu entfernen. Dann würde er Matthias die Kehle durchschneiden und das Blut dazu benutzen, sich in den Rocaan zu verwandeln. Der alte Mann konnte sich bestimmt nicht schnell genug entfernen.
Der Rocaan schwankte ein wenig, als spürte er das Dilemma, in dem sich Tel befand. Dann berührte er Matthias vorsichtig am Arm, um das Tablett nicht zum Kippen zu bringen. »Entschuldigt bitte, Andre«, sagte der Rocaan. »Aber ich glaube, Matthias und ich sollten zuerst diese Aufgabe zu Ende bringen. Wir müssen noch die Kapelle der Diener überprüfen, Matthias.«
Matthias warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ihr könntet hier bei Andre bleiben und ihn segnen, während ich das rasch erledige.«
Der Rocaan schüttelte den Kopf. Er wirkte sehr
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