Fey 02: Das Schattenportal
Welt zu bringen, Herr. Ich kannte seine Eltern seit ihrer Hochzeit, schon lange bevor die Fey kamen.«
»Und seine Eltern stammten von unserer Insel?«
»Seine Mutter wurde unweit vom Blumenfluß geboren. Ich habe sie aufwachsen sehen.«
»Und der Vater?«
»Stammte von den Schneebergen, Herr. Er war ein guter Mann, ein sehr geschickter Holzschnitzer. Die Fey töteten sie am Tage der Invasion, und wenn ich das Kind nicht heimlich weggeschafft hätte, hätten sie es wohl auch umgebracht.«
Lord Stowe rieb sich das Kinn. »Sie haben einen Inselbewohner, von dem sie behaupten, er sei der Magie fähig.«
Er schüttelte den Kopf und betrachtete sie erneut. Seit einigen Augenblicken sah er sie mit anderen Augen, das konnte sie in seinem Gesicht lesen. Sie war keine arme Frau mehr, kaum besser als eine Dienerin. Sie war jemand, der ein Kind verloren hatte.
»Was erwartest du von mir?« fragte er.
Tränen füllten ihre Augen. Sie hatte gedacht, ihr Wunsch läge auf der Hand. »Ich möchte, daß Ihr ihn findet und nach Hause zurückbringt.«
Er ließ langsam den angehaltenen Atem entweichen. In der Stille hörte sie Helters Stimme: Du bist verrückt, Frau, wenn du denkst, der König würde dir helfen. Du weißt nicht einmal, ob der Junge noch am Leben ist. Nach allem, was geschehen ist, hat ihn dieses Wesen getötet, so wie seine Eltern. Vielleicht müssen sie erst die ganze Familie umbringen, bevor ihre eigene Magie Wirkung zeigt.
»Um den Jungen zu finden, müßten wir sie noch einmal auf ihrem eigenen Terrain angreifen«, sagte Lord Stowe. Seine Stimme klang weich. »Ich werde mit dem König darüber reden, aber ich bezweifle, daß wir dafür das Leben unserer Männer aufs Spiel setzen können.«
»Er ist doch noch ein kleines Kind!« Ihre Stimme stieg zu einem Wimmern an. Sie holte tief Luft und beruhigte sich wieder. »Er ist alles, was ich habe. Er braucht mich.«
Auf seinen Wangen zeigte sich ein leichter Anflug von Röte. Lord Stowe erhob sich und klopfte ihr sanft auf die Schulter. »Wir werden tun, was wir können, gute Frau«, sagte er. Sie hatte sich getäuscht. Ihr Schmerz bedeutete ihm überhaupt nichts. Für ihn war der Verlust Coulters nicht mehr als ein technisches Problem, ein unerwartetes Verhalten der Fey.
»Bitte«, sagte sie. »Bitte helft mir.«
Er nahm die Hand von ihr und entfernte sich. Sie fühlte seine Abwesenheit mehr, als daß sie sie sah.
»Das werde ich tun«, versprach er und sah sie noch einmal lange an, bevor er weiterredete. »Ich schicke einen Diener her, damit er dir hilft. Wir werden auch für einen bequemeren Heimweg sorgen.«
»Vielen Dank«, flüsterte sie. Sie blickte nicht einmal auf. Er würde ihr nicht helfen. Niemand konnte das.
Seine Schritte knarrten auf dem Boden. Sie hörte, wie sich die andere Tür öffnete, aber nicht, wie sie sich schloß. Als sie schließlich in die Richtung blickte, sah sie, daß er sie noch immer betrachtete.
»Hast du schon jemals gehört, daß die Fey Kinder auf diese Weise entführen?« fragte er.
»Nein.«
»Ich auch nicht. Das ist doch eigenartig.« Damit verließ er den Raum.
Eigenartig? Das mochte wohl sein – vom Gesichtspunkt eines Lords aus. Aus ihrer Sicht jedoch bedeutete der Verlust Coulters, daß sie alles verloren hatte. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn zurückbekommen sollte.
24
Der Klang von Stimmen weckte ihn.
Tel hatte nur leicht geschlafen, hatte Stunden gebraucht, um sich nach dem Mitternachtssakrament einigermaßen zu beruhigen. Doch nachdem er genug Decken auf seine Pritsche gelegt und im Schlafzimmerkamin ein Feuer entfacht hatte, war es einigermaßen erträglich geworden, und er hatte sich soweit entspannen können, daß er eingeschlafen war.
Er spitzte die Ohren, und Andres Erinnerung erkannte die Stimmen von Matthias und dem Rocaan. Tels Mund wurde sofort trocken. Diese beiden waren die einzigen, mit deren Hilfe er das Geheimnis des Weihwassers lüften konnte. Dabei hatte er nicht damit gerechnet, ihnen so bald auflauern zu können.
Tel schlug die Decken zurück, schwang sich aus dem Bett und schlüpfte in die schwarze Robe, die Andre immer getragen hatte, wenn er mitten in der Nacht noch irgendwo hingegangen war. Im Gegensatz zu Andre zog Tel auch seine Sandalen an, denn er wollte nicht riskieren, in etwas Gefährliches hineinzutreten.
Er kämmte das Haar mit den Fingern durch, nahm das kleine Stilett, das er mitgebracht hatte, und schob es in die Tasche seiner Robe. Die Stimmen
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