Fey 02: Das Schattenportal
sein«, sagte Fledderer. Sein Körper wurde von einer Energie durchströmt, die ihn beinahe explodieren ließ. Sein Atem kam wie ein leises Keuchen hervor.
»Wirklich, kleiner Mann? Das bezweifle ich. Das bezweifle ich doch sehr.«
»Wir alle sind an zwei Punkten unseres Lebens gleich«, sagte Fledderer. Seine Hand lag so fest um den Messergriff, daß sich das Metall in seine Handfläche grub. »Wenn wir geboren werden, und wenn wir sterben.«
Caseos Grinsen wurde noch breiter. »Nicht einmal dann, mein Junge«, sagte er. »Einige von uns werden mit Talent geboren, auch wenn es zu Anfang nur sehr schwach ausgebildet ist, und einige verfügen über Talent beim Sterben.«
»Aber sterben müßt Ihr genauso.« Fledderer fuchtelte mit dem Messer vor Caseo herum. »Ich bin wegen der Beutel gekommen. Ich bin gekommen, um Euch zu helfen. Jetzt laßt mich gefälligst in Frieden, und ich werde Euch nie wieder in die Quere kommen.«
Caseo schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht tun, mein Junge. Bis Rugar mir andere Anweisungen gibt, bleibst du mein Assistent, ob du willst oder nicht. Und ich bin auf deine Hilfe angewiesen. Jetzt sei ein braver Junge und komm mit mir hinein. Es dauert nicht lange, und uns allen ist damit geholfen.«
Fledderer fuchtelte wieder mit dem Messer. »Kommt bloß nicht näher!«
»Du wirst mir nichts antun, mein Junge. Auf tätlichen Angriff auf einen Hüter steht der Tod durch Verstümmelung. Wieder ein Unterschied, denn wenn eine Rotkappe stirbt, wird niemand dafür bestraft.« Caseo packte Fledderers Arm – den, in dem er kein Messer hielt. Seine Berührung war heiß. Sein Gesicht zeigte keinerlei Furcht. »Und jetzt gehen wir hinein.«
»Nein!« sagte Fledderer und stieß das Messer tief in Caseos Brust. Caseo machte einen überraschten Schritt nach hinten, ließ Caseo Arm aber nicht los. Fledderer zog das Messer aus Caseos Brust heraus. Blut spritzte hervor, so wie damals, als Schattengänger sein Messer benutzt hatte. Dann hackte er damit, in dem verzweifelten Versuch, von ihm loszukommen, auf Caseos Finger ein. Caseo ließ los, und das Messer fuhr in Fledderers Arm. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei.
Caseo fiel auf die Knie, die andere Hand auf die Brust gedrückt. Das Blut quoll pulsierend darunter hervor. Seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, sein Mund stand offen, doch kein einziger Ton kam daraus hervor. Niemand war draußen zu sehen, und auch in der Hütte der Hüter schien sich nichts zu rühren.
»Tut mir leid«, sagte Fledderer. Er hatte nicht beabsichtigt, so böse wie Caseo zu werden. Er hatte überhaupt nichts beabsichtigt. Jetzt würden sie wissen, wer es getan hatte. Die anderen Hüter wußten, daß Caseo von einer Rotkappe angegriffen wurde. Er mußte fliehen.
Seine Füße glitten in dem Blut auf der Veranda aus. Das Blut floß die Stufen hinunter und verschwand im grauen Bodennebel. Er sprang über die Stufen und rannte in Richtung Torkreis, wo er bei seiner Ankunft den Spruch wieder und wieder ausstieß. Das Tor öffnete sich für ihn, und er hechtete hindurch. Noch im Flug warf er das Messer von sich.
Genau so hatte er seine Flucht geplant. Aber nicht, nachdem er Caseo getötet hatte. Eigentlich hatte er Rugar umbringen wollen, doch er wußte nicht einmal, wo sich Rugar aufhielt. Und jetzt hatte er keine Möglichkeit mehr, es herauszufinden.
Fledderer brach sofort ins Unterholz, weg von dem Skeletthaufen, die Uferböschung hinunter zum Fluß. Dort blieb er stehen, um Luft zu holen. Er war voller Blut, und das Blut roch nicht anders als das der anderen Toten. Kein bißchen anders.
33
Sie führten Titus zu einem der Gebäude, doch nur der ältere Mann ging mit ihm hinein. Die Dunkelheit im Inneren traf Titus unerwartet. Der Mann schlug gegen eine Lampe, woraufhin sich ein kleines Geschöpf erhob und rings um sich herum Licht ausstrahlte. Der Alte schlug gegen eine zweite und dritte Lampe, bis der gesamte Raum hell erleuchtet war.
Der vordere Teil des Zimmers war mit einem Tisch und mehreren Stühlen eingerichtet. Zur Linken stand ein Kamin, in dem die Reste eines Feuers glühten. Eine Frau spähte zur Tür herein und stellte eine Frage. Der Mann schüttelte den Kopf. Sie nickte, stahl sich wieder hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
»Wie lautet deine Botschaft, Kind?« fragte der Mann in Nye.
Titus wußte nicht, wie er den Mann anreden sollte, ob es eine bestimmte Etikette gab oder nicht. Also verneigte er sich lediglich und
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