Fey 02: Das Schattenportal
ich muß mal wieder dran glauben, hab’ ich aber auch ein Glück! Wieviel ist denn da draußen noch zu tun?«
»Genug für den ganzen Nachmittag.« Fledderer senkte die Stimme. »Weißt du, wofür sie die Knochen brauchen?«
Klaue schüttelte den Kopf. »Caseo erzählte etwas von einem wunderbaren neuen Zauber, aber du kennst ihn ja.«
Caseo. Fledderer schüttelte sich. Ja, er kannte ihn nur zu gut. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Geh schon raus und hilf ihr. Ich bin in einer oder zwei Stunden wieder draußen.«
Klaue erhob sich schwerfällig von den Beuteln. »Wenn ich zurückkomme und dich hier schlafend vorfinde, schneide ich dir die Finger ab.«
»Dann kann ich dir erst recht nicht mehr helfen.«
Sie grinsten einander an. Hinter ihnen flog die Tür zum Haus der Hüter auf, und Caseo stand mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihnen.
»Stell einfach die Beutel ab und verschwinde, mein Junge«, sagte er. »Wir versuchen da drin ernsthaft zu arbeiten.« Mit einem Knall flog die Tür wieder zu.
»Oh, sind wir aber heute empfindlich«, sagte Klaue leise.
Fledderer sagte nichts. Sein Herz klopfte ihm so heftig in der Brust, daß er befürchtete, es könnte zerspringen. Er starrte auf die Tür. Caseo hatte ihn nicht einmal gesehen, geschweige denn wiedererkannt. Genau wie er es sich gedacht hatte. Niemand sah die Rotkappen. Und niemand würde wissen, daß er Rugar getötet hatte.
Doch dieses Wissen spendete ihm keinen Trost mehr. Wie kann ein Mann jemanden mit dem Tode bedrohen und ihn nur eine Woche später nicht einmal wiedererkennen? War Caseo dermaßen kalt?
Oder war Fledderer so klein?
Klaue versetzte ihm einen Stoß gegen die Schulter. »He, alter Knabe, alles in Ordnung?«
Fledderer nickte und zwang sich, den Blick von der Tür abzuwenden.
»Ja«, brummte er. »Ich muß noch einiges erledigen. Wir sehen uns dann draußen.«
Klaue sah ihn an, und Fledderer machte sich auf den Weg zum Domizil. Klaue sah alles, was Fledderer tat, und Fledderer wollte nichts Ungewöhnliches tun, bevor Klaue gegangen war.
Auf dem Weg von der Hütte der Hüter bis zum Torkreis ließ sich Klaue reichlich Zeit. Als er endlich beim Tor angekommen war, trödelte er dort noch eine Weile herum, als wäre die Verbannung nach draußen schlimmer als der Tod. Fledderer stieß einen tiefen Seufzer aus und ging zurück zu Rugars Hütte.
Auch aus diesen Schornsteinen quoll Rauch, dünne graue Fahnen, die schweigend aufstiegen, das sichtbare Dach der Schattenlande berührten und sich dann völlig auflösten. Fledderer verstand nicht, warum sich der Rauch im Schattenland nicht ansammelte – einmal hatte jemand versucht, es ihm zu erklären, doch die Erklärung hatte ihm überhaupt nicht eingeleuchtet. Dieses hier war das zweite Schattenland, das er mitmachte. Das erste war beim Feldzug gegen Nye eingerichtet worden, aber nicht annähernd so ausgearbeitet wie dieses hier. Damals hatten die Fey in dicke Decken gehüllt, die von den Domestiken eigens für dieses Unternehmen angefertigt worden waren, auf dem nebelbedeckten grauen Boden geschlafen. Die Domestiken hatten etwas in diese Decken hineingewirkt, denn Fledderer hatte niemals zuvor und auch niemals danach so gut geschlafen wie unter diesen Decken.
Er packte den Griff des Messers, das er von Klaue bekommen hatte, und fragte sich, wann Klaue wohl auffallen würde, daß er es ihm nicht zurückgegeben hatte. Würde er überhaupt zu arbeiten anfangen oder lieber auf Fledderers Rückkehr warten? Wahrscheinlich würde Uences ihm ihre Klinge aufdrängen und dann gehen, und Klaue müßte ganz allein da draußen weitermachen, bis ihn die Kunde von Rugars Tod erreichte.
Es tat Fledderer nicht einmal leid.
Vor Rugars Hütte blieb er stehen. Die Infanteristen standen ein paar Hütten weiter entfernt und beobachteten ihn. Die Haut in seinem Nacken kribbelte. Wenn er sich konzentrierte, konnte er Stimmen aus dem Inneren der Hütte hören. Dort ging etwas vor sich. Jedenfalls war es nicht der richtige Zeitpunkt, an die Tür zu klopfen und Rugar gegenüberzutreten.
Die Hütte der Hüter war nicht allzu weit entfernt. Vielleicht sollte Fledderer einfach zurückgehen, sich ein paar leere Beutel schnappen und Uences ablösen. Der König hatte ihm keine Frist gesetzt. Fledderer konnte sich alle Zeit nehmen, die er für sein Vorhaben brauchte.
Vor der Hütte der Hüter hielt er inne. Der Rauch, der aus dem Schornstein aufstieg, war dunkelgrau, fast schwarz, und er roch nach
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