Fey 02: Das Schattenportal
sagte: »Der Rocaan wünscht eine Zusammenkunft mit Euch. Er möchte diesen Krieg beenden und ist davon überzeugt, daß Ihr beide gemeinsam dazu in der Lage seid.«
»Ich dachte, der Rocaan sei euer religiöses Oberhaupt?«
»Jawohl, Herr.«
»Dann sollte ich diese Unterredung wohl eher mit eurem König führen.«
Titus schüttelte den Kopf. »Der Rocaan sagt, der König habe sich lange genug damit befaßt und daß es eine spirituelle Angelegenheit sei.«
»Aha«, sagte der Alte. »Wir treffen uns also, und euer Rocaan tötet uns alle.«
»Nein. Das würde er nie tun«, erwiderte Titus. »Er würde gerne mit Euch über Macht, spirituelle Macht reden, über die seine und die Eure.«
»Verstehe.« Der Mann ließ sich auf einem Stuhl neben Titus nieder. »Setz dich, mein Junge, und fühl dich wie zu Hause. Ich tu’ dir nichts.«
Titus setzte sich wie geheißen hin. Er flocht die Finger ineinander und hielt den Kopf gesenkt.
»Dieser Rocaan, das ist doch derjenige, der euch allen in religiösen Dingen vorsteht, habe ich recht?«
Titus nickte.
»Und er stellt auch das Gift her, das uns tötet.«
»Er hatte niemals vor, Euch zu töten. Er wußte es nicht.« Titus sprach mit großer Nachdrücklichkeit, so wie es der Rocaan getan hatte. Seine Nachdrücklichkeit wäre auch ohne das Vorbild des Rocaan groß gewesen. »Das Weihwasser ist seit Anbeginn Bestandteil unserer Religion. Wir wußten nichts von seinen Eigenschaften, bis es einer der Ältesten zufällig herausfand.«
»Zufällig?« Der alte Mann lächelte kalt. »Wie tötet man denn zufällig?«
»Er schleuderte Euren Leuten eine Flasche entgegen, um sie von sich fernzuhalten. Die Flasche zerbarst, und sie starben.«
Die Augen des Mannes weiteten sich ein wenig, kehrten jedoch sogleich wieder zu ihrem starren, wie verschleierten Blick zurück. »Verstehe. Dann teilte er es euren Leuten mit, und das Gemetzel fing an.«
Titus schluckte. Der Rocaan hatte ihm aufgetragen, dem Fey nicht zu widersprechen, aber er hätte ihn nur zu gerne darauf hingewiesen, daß nicht die Inselbewohner, sondern die Fey mit dem Gemetzel angefangen hatten.
»Soll ich mich mit deinem Rocaan allein treffen, oder darf ich meine Leibwache mitbringen?«
»Er stellt es Euch frei, ganz nach Belieben zu erscheinen, solange Ihr versprecht, ihn nicht anzugreifen. Er sagt, er wird ebenfalls in der Begleitung einiger Freunde kommen.« Titus fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Er möchte einen Segen aussprechen, der uns alle vom Haß reinwäscht, aber dazu braucht er ein wenig Weihwasser. Er verspricht, es nicht gegen Euch zu richten. Im Gegenzug gesteht er Euch zu, Waffen mitzubringen, wenn Ihr versprecht, sie nicht gegen ihn zu verwenden.«
»Er ist ziemlich vertrauensselig, was?«
Titus nickte. »Er ist ein guter Mann, Herr. Er würde niemals jemanden töten.«
»Was ist mit all den Fey, die er getötet hat?«
Titus war wirklich erleichtert, daß der Rocaan an die Beantwortung all dieser Fragen im voraus gedacht hatte. Von selbst wäre er niemals darauf gekommen. »Er hat keinen mit eigener Hand getötet, Herr, und er wünscht inbrünstig, daß die anderen noch alle unter uns weilten. Aber er bittet Euch, die Umstände zu bedenken und Euch zu fragen, ob Ihr an seiner Stelle nicht ebenso gehandelt und das Weihwasser ausgegeben hättet.«
Der Fey lächelte. »Was ich getan hätte, spielt keine Rolle. Hier geht es darum, was er getan hat, und noch wichtiger ist das, was er zu tun gedenkt.«
Titus blinzelte durch die Augenwimpern zu dem Fey hinüber. »Er gedenkt, Euch vor Gott annehmbar zu machen, damit der Kampf ein Ende findet und wir alle zu einer friedlichen Lösung gelangen.«
»Wenn wir aber keine friedliche Lösung wollen?« fragte der Fey.
Titus zuckte die Achseln. »Dann, werter Herr, bleibt wohl alles so, wie es jetzt ist.«
Der Fey schob die Finger unter Titus’ Kinn und hob den Kopf des Jungen. Der alte Mann roch nach Fichten und Leder. Seine Haut war von feinen Furchen durchzogen und dunkler als die eines Mannes, der ein ganzes Leben lang in der Sonne gearbeitet hat. »Kannst du mir garantieren, daß euer Rocaan zu diesem Treffen erscheinen wird?«
»Ja, Herr«, antwortete Titus. »Es ist sein Vorschlag, und er hat sein Wort gegeben. Er bricht niemals sein Wort.«
Der Fey lächelte. »Dann richte deinem Oberhaupt aus, daß ich mich mit ihm treffen werde. Ich werde einen kompletten Trupp Krieger mitbringen, die sowohl mit Magie als auch mit dem Schwert
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