Fey 02: Das Schattenportal
geschlagen. Dann blickte er ins Feuer, als könne er dort eine Antwort finden. »Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken«, sagte er.
»Das weiß ich«, erwiderte sie sanft.
»Womöglich müssen wir die Schamanin aufsuchen.«
Sie nickte. Dann warf sie ihren Zopf wieder über die Schulter. Sie war nicht sicher, ob sie einen Sieg errungen oder etwas Wertvolles verloren hatte. »Da wäre noch eine Sache, Vater«, sagte sie.
Er sah nicht einmal auf. »Sprich.«
»Ich glaube, ich lasse den Gefangenen Luke frei. Den jungen Burschen. Ich glaube, wenn ich das mache, kann ich mich auf ein Geschäft mit seinem Vater einlassen.«
Jetzt schaute Rugar sie an. »Bist du dir da sicher?«
Sie nickte. »Ich habe mit dem Vater eine Abmachung getroffen. Er hatte Zeit, darüber nachzudenken. Den Jungen lasse ich nur frei, nachdem ich wirklich wichtige Informationen erhalten habe.«
»Wenn du den Jungen freiläßt«, sagte Rugar, »dann sorge dafür, daß er uns noch nützlich ist.«
Jewel grinste. »Ich sorge dafür, daß er uns hilft, wann immer wir ihn brauchen.«
13
Therons Hände zitterten so stark, daß Kondros die Knoten zweimal überprüfen mußte. Der kleine Fey saß jetzt folgsam auf dem Stuhl, hatte die Hände hinter dem Rücken gefesselt und die Füße am Tischbein festgebunden. Sie waren zu Kondros’ Haus gegangen, so dicht wie möglich an den Palast heran, ohne das Tor passieren zu müssen. ›Haus‹ war eigentlich ein schmeichelnder Ausdruck für die bescheidene Unterkunft. Die vordere Hälfte des Gebäudes gehörte einem Stiefelmacher, und Kondros hauste in dem Zimmer nach hinten hinaus, neben der Wohnung des Stiefelmachers. Im ganzen Haus roch es nach Häuten und gegerbtem Leder, was jedoch recht gelegen kam, da der kleine Mann mindestens genauso übel stank.
Der Kleine hatte keinerlei Widerstand geleistet. Freiwillig hatte er sich auf den Stuhl gesetzt und auch nicht protestiert, als ihm Theron die Hände hinter dem Rücken fesselte. Theron ließ den kleinen Kerl nicht aus den Augen. Sein Hals schmerzte immer noch von dem Schnitt, und er hatte Angst davor, daß der kleine Mann ihn mit irgendeinem Zauber belegte, ihn seinem Willen unterwarf, weil er doch mit Therons Blut in Berührung gekommen war.
Cyta hatte sich sofort auf den Weg gemacht, um Monte zu holen. Unterwegs hatten die drei Männer beschlossen, jemanden zu Rate zu ziehen, der dem König näherstand, aber zuviel wollten sie auch nicht riskieren. Sie wußten nicht, ob der kleine Mann sie letztendlich doch noch hereinlegen wollte oder nicht.
Das Zimmer war für vier Leute schon ziemlich eng. Mit fünfen würde es überfüllt sein. Der kleine Mann saß auf einem der vier Stühle, die um den Tisch standen, und Kondros hockte auf der Matte an der hinteren Wand des Zimmers. Der Kamin nahm eine Wand ein. Es gab kein Fenster, und die Tür ging zu einer lärmenden Gasse hin auf. Obwohl es ziemlich stickig war, hielten sie sie geschlossen.
Theron hatte nicht einmal genügend Platz zum Aufundabgehen. Er strich mit dem Zeigefinger über den Schnitt an seinem Hals. Inzwischen hatte sich eine Kruste gebildet, und er fühlte sich noch ganz normal. Vielleicht waren die Geschichten, die er gehört hatte, von den Fey selbst ausgestreute Lügen, damit die Inselbewohner Angst vor ihnen bekamen.
Kondros hatte eine Flasche Weihwasser auf den Tisch gestellt. Nachdem er die Knoten an den Handgelenken des kleinen Mannes überprüft hatte, setzte er sich neben die Flasche und spielte mit den Fingern daran herum. Die Augen des kleinen Mannes huschten zwischen Kondros’ Fingern und Therons Gesicht hin und her. Er hatte zweifellos gehörige Angst vor dem Wasser. Mehr als alles andere überzeugte diese Angst Theron davon, daß der kleine Mann die Wahrheit gesprochen hatte.
Ohne Vorwarnung flog die Tür auf und ließ Theron nach hinten taumeln. Kondros packte sofort das Weihwasser, und der kleine Mann kreischte protestierend auf. Cyta trat mit vor Anstrengung rotem und verschwitztem Gesicht ein, gefolgt vom Hauptmann der Garde. Monte war ein eher kleiner Mann, aber kräftig gebaut, und er hielt sich gerader als jeder andere Bewohner der Insel, dem Theron jemals begegnet war.
Monte knallte die Tür hinter sich zu und ging sofort auf den kleinen Mann los. Als er näher kam, rümpfte er die Nase, als könne er nicht glauben, daß jemand so stank. »Warum haben ihn deine Männer nicht saubergemacht?« wollte er wissen.
»Er läßt nicht zu, daß jemand Wasser
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