Fey 02: Das Schattenportal
versuchte, bei dem Geruch, den er verströmte, nicht das Gesicht zu verziehen. Sie beschloß, ihn zu den Domestiken zu bringen, wo sie so lange warten würde, bis ihn jemand gesäubert hatte.
Sie schob die Tür zu und sicherte sie, dann führte sie Adrian zum Domizil. Er betrachtete den Boden vor sich, als sei er sich nicht ganz sicher, worauf er da ging. Sie führte ihn die Treppe hinauf und klopfte an die Tür. Es widerstrebte ihr, ihn so schmutzig in die Krankenstation zu bringen.
Mend, die Domestikin, die ihnen öffnete, sah so ausgezehrt aus wie Adrian. Sie war sehr klein, und ihre Haut war unnatürlich blaß, weil sie schon lange keine Sonne mehr gesehen hatte. Ihre Hände waren schwielig und krumm von der vielen Arbeit. Obwohl sie nur zu den mittelmäßig talentierten Domestiken gehörte, war sie Jewel doch eine der liebsten, weil sie ohne Klagen viel arbeitete.
»Ich habe hier einen Gefangenen. Ich möchte ihn gesäubert in einem leeren Zimmer wiedersehen«, sagte Jewel.
»Leere Zimmer haben wir nicht«, sagte Mend.
»Ich glaube doch«, erwiderte Jewel. »Aber darum kümmere ich mich selbst, wenn du den anderen Teil übernimmst – ohne dabei seine Fesseln zu lösen.«
Mend nickte. Sie nahm Adrian am Arm und führte ihn zur Seite des Gebäudes. Jewel sah den beiden nach, bis sie sicher sein konnte, daß alles wie geplant verlief; dann betrat sie das Haus.
Die sieben Infanteristen in den Betten sahen schon besser aus. Einer saß sogar schon halb aufgerichtet an sein Kopfkissen gelehnt. Die Heiler hatten ganze Arbeit geleistet. Sie hatten einen Trupp zum Kräutersammeln in den Wald geschickt, in der Hoffnung, daß auf der Insel die richtigen Kräuter wuchsen. Offensichtlich war das der Fall.
Jewel nickte ihnen zu und ging den schmalen Gang entlang. Vor dem ersten Zimmer angekommen, öffnete sie die Tür. Es war so klein, wie sie gehofft hatte, und voller Weber. Überall lagen Fäden herum, Webstühle summten und klackerten. Die Weber schauten sie erwartungsvoll an.
»Ich brauche dieses Zimmer«, sagte sie. »Tut mir leid.«
Sie nickten wie auf Kommando, als wären sie daran gewöhnt, von ihrem Arbeitsplatz vertrieben zu werden, machten jedoch nicht sofort Anstalten zu gehen.
»Nehmt alles mit, von dem die Magie verlangt, daß es keine anderen Hände als die euren berühren«, fügte sie hinzu. »Leider brauche ich das Zimmer sofort.«
Dann schloß sie die Tür wieder und überließ es ihnen, ihren Zauber zu beenden und ihr Arbeitsgerät zusammenzupacken. Im Krankenzimmer stöhnte ein Mann, ein Geräusch, das ihr einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterjagte. Vielleicht beging sie einen Fehler, wenn sie Adrians Sohn freiließ. Bei all ihrer Naivität waren die Inselbewohner sehr geschickt darin, die Fey zu verwunden. Eine Fertigkeit, deren sich kein anderes Volk rühmen konnte.
Hinter ihr ging die Tür auf, und die Weber, von denen die meisten ihre Spinnräder trugen, kamen heraus. Sie gingen in der entgegengesetzten Richtung den Korridor hinunter, als wüßten sie bereits, in welches Zimmer sie wechseln würden.
Der ganze Boden war mit Wollresten übersät, und in der Luft lag noch ein Hauch von Magie. Sie mochte die Magie der Domestiken. Sie kam ihr so normal vor, so anheimelnd. Die Luft funkelte davon, weil sie stets dazu eingesetzt wurde, etwas zu verbessern, und nicht, um sich etwas Untertan zu machen. Noch einmal vor die Wahl gestellt, würde sie lieber häusliche als kriegerische Fertigkeiten erlernen wollen. Trotzdem würde das nicht viel an ihrem Schicksal ändern, denn sie war eine Visionärin, und Visionäre gehörten nun mal zum Militär oder in die Regierung. Nur einige wenige Auserwählte wurden Schamanen, und dafür hatte sie – schon in jungen Jahren – nicht die nötige Leidenschaft aufgebracht.
Jetzt standen nur noch zwei Stühle im Zimmer, dicht beieinander, als warteten sie darauf, von zwei Gesprächspartnern eingenommen zu werden. Etwas in der Magie der Domestiken befähigte sie dazu, derlei Dinge zu wissen: die richtigen Kleider herauszulegen, das richtige Essen zu kochen oder die Zimmer, in denen man sich aufhielt, genau so herzurichten, wie es die Stimmungen und Absichten verlangten. Auch die Fähigkeit, mögliche zukünftige Entwicklungen zu Sehen, erlaubte es Jewel nicht, eine derartige Sensibilität für die Bedürfnisse anderer zu entwickeln.
Es klopfte. Sie drehte sich um, doch die Tür stand bereits halb offen. Vor ihr stand Mend, die Hand auf Adrians Arm
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