Fey 02: Das Schattenportal
wollte.
Sie stieß die Tür auf und hielt die Fackel hinein. Adrian hatte seine gefesselten Beine angezogen, um Ort nicht zu berühren. »Ich werde mit dir reden«, sagte Adrian. »Aber zuerst mußt du Luke freilassen.«
»Netter Zug«, sagte sie. »Aber ich bin eine Frau, auf deren Wort man sich verlassen kann. Ich lasse deinen Sohn frei, wenn du dich mit mir unterhältst und mir etwas bietest, das sein Leben wert ist.«
Ort grunzte wieder und schüttelte den Kopf. Adrian achtete nicht auf ihn. »Was ist in deinen Augen soviel wert? Ich habe dir bereits gesagt, daß ich das Geheimnis des Weihwassers nicht kenne.«
»Ich hoffte, unser kleines Geschäft würde deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen.«
»Wie soll mir etwas einfallen, das ich überhaupt nicht weiß?«
»Dann hast du auch nichts zu verhandeln«, sagte sie. »Ich möchte hören, was du zu sagen hast, bevor ich deinen Sohn freilasse.«
Ort grunzte lauter und drehte sich zu Jewel um. Dann schüttelte er den Kopf dreimal. Sie grinste ihn an. »Du hast hiermit nichts zu tun«, sagte sie. »Wenn du nur noch einmal versuchst, den hier zu beeinflussen, liefere ich dich sofort an Caseo aus.«
Adrian sah sie an. Sein Gesicht war noch schmaler als am vorherigen Tag geworden; unter seinen Augen hatten sich tiefe Falten eingegraben. Die Entscheidung hatte ihm schwer zu schaffen gemacht. Ort beobachtete ihn aufmerksam. Luke ebenfalls.
»Ich … äh … kann sprechen mit … äh … mit ihm … auf … Inselsprache?« fragte Luke.
»Nein«, sagte Jewel. »Ich will alles hören, was ihr zu sagen habt.«
»Bitte, meine Dame, ich nicht gut spreche Nye.«
Beinahe hätte sie nachgegeben. Aber sie konnte dem Jungen ebensowenig trauen wie den beiden Männern. »Nein«, wiederholte sie.
Der Junge blinzelte die Tränen in seinen Augen weg. »Papa, bitte. Nein. Ich … äh … ich bleibe. Mit dir.«
»Du bist noch ein Kind«, sagte Adrian. »Und hier gibt es keine Zukunft für uns.«
»Papa, bitte. Bitte.«
Ort sah sie beide an. Dann blickte er zu Jewel auf. Der Zorn in seinen Augen war so handgreiflich wie eine Ohrfeige. Sie starrte zurück, um sich nicht von einem Gefangenen seinen Willen aufzwingen zu lassen.
»Also gut«, sagte Adrian. »Ich verhandele mit dir. Zu deinen Bedingungen. Aber mit einer Änderung. Bevor er geht, darf ich mit meinem Sohn in meiner eigenen Sprache sprechen. Wenn du willst, kannst du jemanden mitbringen, der sie versteht, das ist mir egal. Aber ich will, daß er richtig mit mir sprechen kann.«
Es war eine vernünftige Bitte, insbesondere, wenn jemand zuhören durfte. »In Ordnung«, sagte sie. »Aber dir muß klar sein, daß dein Sohn vielleicht nicht freikommt. Deine Information muß sein Leben aufwiegen.«
Adrian schluckte. »Das weiß ich.«
Ort drehte sich weg und lehnte den Kopf an die Wand. Jewel ging vor Luke in die Hocke. »Luke«, sagte sie. »Ich verspreche dir, daß ich deinem Vater aufmerksam zuhören und eine korrekte Entscheidung treffen werde. Ich weiß, daß Ort glaubt, ich werde erst zuhören und dann mein Versprechen nicht halten. Aber das werde ich nicht tun. Und du auch nicht. Ich möchte, daß du eines verstehst: Wenn dein Vater und ich dich freilassen, mußt du anerkennen, daß die Fey auch gerecht sein können. Davon mußt du den anderen erzählen. Hast du das verstanden?«
Der Junge sah zu seinem Vater hinüber. Adrian nickte kurz. Dann nickte auch Luke zögerlich.
»Und du wirst ihm alles, was er nicht verstanden hat, noch einmal erklären«, sagte Jewel zu Adrian.
»Wenn du mir die Gelegenheit dazu gibst«, sagte er.
»Das hängt von dem ab, was du mir zu sagen hast.« Sie beugte sich vor und löste die Fesseln um seine Beine. Sie wußte noch nicht genau, wohin sie ihn bringen würde. Sie wollte ihn nicht noch einmal in ihrer Hütte haben, nicht nach dieser Begegnung mit Caseo.
Er schüttelte seine Füße, als schüttelte er damit den Schmerz weg. Sie schob eine Hand unter seinen Ellbogen und half ihm auf.
»Ich komme wieder, Luke«, sagte er. »Paß auf, daß Ort nicht noch mehr Dummheiten macht.«
»Ja, Papa.« Das Entsetzen in Lukes Augen quetschte Jewel beinahe das Herz ab. Noch nie zuvor hatte sie Leute getroffen, die sowenig an die Gepflogenheiten des Krieges gewohnt waren. Auf Galinas hatten sämtliche Nationen ständig gegeneinander Krieg geführt. Die Geschichte aller Länder von Nye bis hin nach Alarro war eine Geschichte der Kriege.
Sie half Adrian zur Tür hinaus und
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