Fey 03: Der Thron der Seherin
einen schweren Schlag versetzt.
Jetzt war es an der Zeit, wieder zu Ejil, dem Stallburschen, zu werden, uneingeschränkt und ohne Vorbehalte.
Tel würde nie wieder ein Fey sein.
30
Nicholas saß auf den Stufen, das Gesicht in den Armen verborgen. Die Dunkelheit besänftigte ihn nicht. Nichts konnte ihn besänftigten, außer seiner kleinen Tochter.
Arianna ähnelte Jewel so sehr. Sie hatte viele Fey-Eigenschaften, Eigenschaften, die sie, falls Solanda recht behielt, zu mehr machten als einer bloßen Fey oder Inselbewohnerin.
Allein der Gedanke an Arianna ließ ihn weitermachen. Wenn es ihm nicht gelang, sämtliche Krisen zu bewältigen, dann würden die Völker ihrer Eltern sich für immer bekriegen.
»Hoheit«, sagte Enford beunruhigt. »Die Ratsherren treffen jeden Moment hier ein.«
Selbst Nicholas’ Magen zitterte. Seit Jewels Tod zuckte sein Augenlid. Er setzte sich auf und legte den Zeigefinger auf das störende Auge, während er sich in dem fast leeren Audienzsaal umsah.
Er hatte keine Antworten.
Die Ratsherren erwarteten, daß er Entscheidungen traf.
Wenn er seinen Gefühlen folgen dürfte, wäre alles einfach. Er würde zum Tabernakel gehen und diesem arroganten Matthias den Hals aufschlitzen. Schließlich hatte der Mann kaltblütig seine Frau umgebracht.
Mord.
Nicholas erhob sich und ging zum Thron. Seine Hände glitten über die geschnitzte Rückenlehne.
Zwei Morde.
Ein Fey, ein männlicher Fey, hatte seinen Vater auf dem Gewissen.
Matthias hatte es gewußt.
Jewel hatte es gewußt.
Nur Nicholas hatte sich geweigert, es zu glauben.
Hätte Matthias nur etwas mehr Geduld gehabt, so hätte er begriffen, daß Jewel auf seiner Seite war. Jewel war ebenso erpicht darauf wie Matthias, den Mörder zu finden.
Sie war zu ihrem alten Freund Burden gegangen.
Sie hatte jemanden im Verdacht gehabt.
Ihren Vater?
Was hatte sie an jenem letzten Nachmittag noch zu ihm gesagt?
Daß Rugar sich versteckte.
Verbarg.
Wie ein Mörder.
Nicholas preßte die Handballen gegen die Stirn.
Und Matthias hatte Jewels Vertrauen ausgenutzt und sie ermordet. Er hatte den Plan, der Jewels Leben retten sollte, dazu benutzt, um sie an den Zeremonien der Inselbewohner teilnehmen zu lassen, und dann hatte er diesen Plan gegen sie ausgespielt.
Er hatte seine finsteren Absichten mit den Ritualen seiner Religion kaschiert. Und jetzt versteckte er sich hinter seinem Gott.
»Sire?« fragte Enford. »Geht es Euch gut?«
War der Mann ein Narr? Wie konnte er glauben, daß es Nicholas nach dieser Woche gutgehen könnte? Allein die Tatsache, daß Nicholas überhaupt noch auf seinen Füßen zu stehen vermochte, machte ihn schon zu einem stärkeren Mann als die meisten Leute, denen er jemals begegnet war.
»Sire, wir müssen darüber beraten, wie wir mit diesen Neuigkeiten umgehen.«
»Wir werden darüber beraten, sobald die anderen eingetroffen sind«, entgegnete Nicholas.
Seine Stimme hatte in dem großen Saal einen merkwürdig hohlen Klang. So leer wie er selbst. Er war in einen unlösbaren Konflikt verstrickt.
Und er hatte Lord Stowe heute Antworten versprochen.
Antworten.
Für Nicholas gab es nur eine einzige Antwort: das Leben auf dieser Insel für Arianna so sicher wie möglich zu machen. Und dafür gab es nur eine einzige Lösung. Es waren nicht die Fey, die Arianna bedrohten.
Er ging um den Thron herum, ließ sich auf der geschnitzten hölzernen Sitzfläche nieder und legte beide Hände auf die Armlehnen. »Laßt die Ratsherren kommen, Enford. Wenn sie nicht innerhalb der nächsten Minuten hier eintreffen, werden wir ohne sie beginnen.«
Enford blickte auf, die Überraschung war nur zu deutlich auf seinem mageren Gesicht zu lesen.
»Ich habe Euch einen Befehl erteilt, Lord Enford. Ich erwarte, daß Ihr ihm Folge leistet.« Nicholas’ Ton war herrisch. Er selbst hatte diesen Ton noch nie zuvor angeschlagen, sein Vater nur selten. Der junge König mußte ihn von seinem Großvater geerbt haben, einem kaltherzigen, strengen Mann, der für nichts anderes Zeit gehabt hatte als für sein Königreich.
Für Arianna würde Nicholas immer Zeit haben.
Aber jetzt mußte er kalt und streng sein, um die nächsten Tage zu überstehen.
Enford runzelte die Stirn, sah Nicholas befremdet an und eilte aus dem Raum. Nicholas blieb unbeweglich sitzen, ohne seinen Griff um die Armlehnen zu lockern. Er saß starr und kontrolliert da, mit steifem Oberkörper. Irgendwie würde er diesen Nachmittag hinter sich bringen. Und
Weitere Kostenlose Bücher