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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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rechts des Podestes herabhängenden Wandbehänge, bewegte sich ein Mann. Tel hatte ihn zuerst nicht gesehen, da seine Robe von demselben Rot war wie der Stoff des Wandschmucks. Er erkannte den König und wurde sich dessen bewußt, daß er schon häufiger mit ihm gesprochen hatte. Aber er wirkte verändert.
    Der König sah jetzt älter aus. Um Jahrzehnte gealtert. Sein Gesicht war zerfurcht, die Augen müde. Sein Haar, das er normalerweise genau wie Enford zu einem Pferdeschwanz zusammenband, hing lose herab. In seinen Bewegungen lag eine schnelle, sonderbare Nervosität, als ob er sich auf nichts konzentrieren könnte, nicht einmal darauf, auf und ab zu gehen.
    »Was ist denn jetzt, Enford? Die Ratsherren müssen jeden Moment hier eintreffen.«
    Enford verbeugte sich. Tel tat es ihm nach.
    »Vergebt mir, Sire«, sagte Enford. »Aber ich glaube, Ihr solltet hören, was dieser Stallbursche zu berichten hat.«
    Der König warf einen Blick auf Tel, blieb aber auf dem Podest stehen. Wie eigenartig, allein mit dem König in einem Raum zu sein. Eigentlich hätten sich hier Wachen aufhalten sollen. Vielleicht hielten sie sich irgendwo verborgen, an geheimen Orten, wie die Wachen in den Thronsälen von L’Nacin.
    »Du bist Tapios Assistent«, sagte der König. »Ejil, nicht wahr?«
    Tel war ebenso überrascht wie geschmeichelt, daß der König ihn kannte. Besonders nach all den gräßlichen Ereignissen und Wirren der letzten Woche. »Richtig, Sire«, sagte er. »Tut mir leid, das mit Eurer Frau.«
    Mit einer Handbewegung fegte der König Tels Worte beiseite. »Du hast bestimmt nicht um eine Audienz gebeten, um mir zu kondolieren.«
    »Nein, Sire.« Tel schritt den langen Gang entlang, der durch die Mitte des Raumes bis zu den Stufen vor dem Thron führte. Der König blickte auf ihn hinab. »Ich komme, weil ich was gesehen hab’, am Tag, als die Königin starb, und ich glaube, Ihr solltet es wissen.«
    Lord Enford trat neben Tel. »Das ist auch meine Meinung, Hoheit. Ich hätte den Mann nicht zu Euch geführt, wenn ich nicht glaubte, Ihr solltet hören, was er zu sagen hat, bevor Ihr mit den Ratsherren zusammentrefft.«
    Die Schultern des Königs hoben und senkten sich in einem unhörbaren Seufzen. Hätte Tel nicht sein ganzes Leben lang gelernt, die Körper anderer Menschen zu beobachten, wäre ihm die Bewegung überhaupt nicht aufgefallen.
    »Nun gut«, sagte der König.
    Tel biß sich auf die Unterlippe. In diesem Körper hatte er alle möglichen schlechten Gewohnheiten angenommen. Er leckte mit der Zunge über die Lippe und schluckte. »Sire, an dem Tag, also, da kamen zuerst die Rocaanisten. Ich kümmerte mich um ihre Pferde. Und dann hat der Rocaan was Komisches gemacht, da wurde ich stutzig.«
    Mit halbgeschlossenen Augen und undurchdringlichem Gesichtsausdruck blickte der König Tel an. Er stand vollkommen still.
    »Bevor die reingegangen sind«, fuhr Tel fort, »zogen sie die Fläschchen mit Weihwasser aus ihren Beuteln. Dann hat einer der Geistlichen ein weißes Tuch aus seinem Beutel geholt und gesagt: ›Hier ist es‹, und dann hat er’s dem Rocaan gezeigt. Und der hat bloß genickt.«
    »Es war vorgesehen, daß sie ein Tuch mitbrachten«, sagte der König. »Es sollte …«
    Er wandte den Kopf ab und bedeckte sein Gesicht mit der Hand, rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen.
    »Es sollte«, sprach Enford weiter, den Blick unverwandt auf den König gerichtet, um zu sehen, ob er weitersprechen sollte oder nicht, »die Königin während der Zeremonie vor dem Weihwasser schützen.«
    »Ich weiß«, sagte Tel. »Aber das is’ ja das Komische an der ganzen Sache. Es war schon mit dem Weihwasser zusammen in dem Beutel des Geistlichen. Und bevor er es wieder eingesteckt hat, hat er drei Fläschchen mit Weihwasser draufgelegt.«
    Der König hob den Kopf, ohne die Finger, die er jetzt wie im Schock öffnete, von den Augen zu nehmen. »Was?«
    »Als er das Tuch wieder einsteckte, hat er drei Fläschchen obendrauf gelegt. Alle voll mit Weihwasser.« Tels Kehle fühlte sich wieder wie ausgetrocknet an. Verstand der König denn nicht, was das bedeutete? Mußte Tel alles bis ins Detail erklären?
    »Diese Fläschchen sind zugestöpselt«, flüsterte der König. Sein Blick ruhte auf Enford. »Manchmal sind sie vielleicht undicht.«
    Enford nickte.
    Plötzlich wirkten die Bewegungen des Königs wieder energiegeladen. Er eilte die Stufen herab und blieb vor Tel stehen. »Du sagst, der Rocaan habe bei alldem

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