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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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schloß ihn wieder und biß sich auf die Unterlippe. Schließlich fragte sie: »Warum sagst du das?«
    »Weil Großvater das sagt.«
    »Wann?« Ihre Augen schimmerten unnatürlich hell.
    »Schon, als er mich zum ersten Mal gesehen hat.« Gabes Fäuste waren feucht. Er wischte sie an den Beinen ab und beobachtete, wie die Feuchtigkeit von seiner Hose abperlte.
    »Gabe, du warst noch ein Säugling. Du kannst dich unmöglich daran erinnern.«
    »Kann ich doch«, widersprach er.
    Die Mutter ergriff seine Hand, ohne darauf zu achten, daß sie naß war. »Du kannst dich wirklich daran erinnern, was mit dir passierte, als du so klein warst? Kannst du dich deswegen so gut an Wörter und Sätze erinnern?«
    Gabe schüttelte den Kopf. »Wörter kenne ich schon, seit ihr mit mir hierhergeflogen seid. Wörter sind wie Atmen. Ich kenne sie einfach.«
    »Und woher weißt du, was dein Großvater gesagt hat?«
    »Ich erinnere mich daran. So wie ich mich daran erinnere, daß wir Kuchen zum Frühstück hatten. Ich erinnere mich.« Es ärgerte ihn, daß sie ihm nicht glaubte. Seine Mutter mußte ihm doch glauben. Sie wußte alles von ihm.
    »Du erinnerst dich.« Sie wiederholte den Satz, als versuche sie, sich selbst zu überzeugen. »Erinnerst du dich daran, was passierte, als du zum ersten Mal hierherkamst?«
    »Du hast einem Domestiken befohlen, mir warme Milch zu geben, und dann hast du mich in meiner Decke im Arm gehalten, bis ich eingeschlafen bin.«
    Seine Mutter nickte, drückte seine Hand und ließ ihn dann los. »Warum hast du mir das nicht früher erzählt?«
    »Das habe ich«, entgegnete er. »Du hast es nicht hören wollen. Du hast gedacht, ich will bloß angeben oder so.«
    »Gabe«, sagte sie langsam. »So etwas habe ich noch nie gehört.« Plötzlich zog sie ihn fest an sich. Ihre Arme schlangen sich um ihn. Sein Gesicht wurde gegen ihre weiche Brust gepreßt, und er roch den vertrauten, beruhigenden, feinen Schwefelgeruch.
    Er versuchte, sich frei zu machen. So hatte sie ihn noch nie umarmt. Schließlich konnte er sich so weit von ihr lösen, daß er ihr ins Gesicht sehen konnte.
    »Hab’ ich etwas falsch gemacht?« fragte er kleinlaut.
    Sie schüttelte den Kopf und musterte ihn einen Augenblick. »Ich glaube nur, wir sollten Rugar nichts davon erzählen. Ich meine … was könnte er schon damit anfangen? Es ist nicht dasselbe wie eine magische Fähigkeit. Es ist nichts, was man überprüfen kann.«
    Gabe runzelte die Stirn. Er hätte es ihr nicht erzählen sollen. Daß er sich an die Vergangenheit erinnern konnte, veränderte irgendwie alles.
    Dann nickte seine Mutter bestätigend. »Wir werden es nicht erwähnen«, sagte sie entschlossen. »Du wirst es deinem Großvater nicht erzählen.«
    »Ich erzähle ihm sowieso nie etwas«, murmelte Gabe. Er verstand das alles nicht. Hätte er Großvater Rugar davon erzählen wollen, hätte er es doch schon längst getan.
    Wieder ergriff sie seine Hand und drückte sie. »Ich bin sicher, daß du es nicht tust«, bekräftigte sie.
    Dann ließ sie ihn los, stand auf und nahm das Tablett vom Tisch. »Dein Großvater wird wirklich bald hier sein, Gabe. Willst du vorher ein Schläfchen machen?«
    »Nein.« Gabe zupfte am Teppich, obwohl er das nicht sollte. Seine Mutter hatte nichts über Großvater Rugars Erklärung gesagt, daß er Gabe benutzen wolle. Eigentlich hatte sie überhaupt nichts gesagt. »Wird Papa bald nach Hause kommen?«
    »Nein, Liebling. Er hat heute Flußdienst.«
    Flußdienst, Landdienst, Himmelsdienst. Dies alles waren Worte, die Gabe zwar nicht richtig verstand, aber die etwas mit der langen Abwesenheit seiner Eltern zu tun hatten. Alle Erwachsenen im Schattenland hatten solche Pflichten. Manche dieser Pflichten hielten sie eben längere Zeit von ihrem Zuhause fern.
    Seine Mutter pflegte zu sagen, Gabe habe Glück, daß wenigstens ein Elternteil immer bei ihm blieb.
    Teller klapperten im Hinterzimmer. Verglichen mit dem Domizil und der Hütte seines Großvaters war diese Hütte klein. Seine Eltern schliefen im Hinterzimmer zwischen Tellern und Küchengerät, während Gabe ein kleines Zimmer für sich allein hatte. Der Hauptraum, das Kaminzimmer, war der größte der Hütte, Gabes Zimmer das kleinste. In Gabes Zimmer konnten seine Eltern nicht aufrecht stehen, es sei denn, sie verwandelten sich in kleine Lichter.
    Vielleicht sollte er lieber in sein Zimmer gehen. Großvater Rugar war kein Irrlichtfänger. Er hatte keine Flügel. Er würde sich nicht klein machen

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