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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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können.
    Gabe rappelte sich hoch. Wieder rieb er sich die tränenverschmierten Augen. Er wußte nicht, warum, aber die Unterhaltung mit seiner Mutter hatte ihn traurig gemacht.
    »Mama?« fragte er. »Ich will trotzdem ein Schläfchen machen.«
    »Ist gut«, rief sie von hinten.
    Aber bevor er noch den Teppich überquert hatte, öffnete sich die Vordertür. Großvater Rugar trat ein und hängte seinen langen schwarzen Umhang an einen der Haken neben der Tür. Schon dieser Umhang jagte Gabe Angst ein. Er bewegte sich dauernd. Als Gabe noch sehr klein gewesen war, hatte er geglaubt, der Umhang sei lebendig. Aber er hatte das Kleidungsstück nie atmen sehen, also mußte es wohl zusätzliche Zauberkraft besitzen.
    »Kleiner Gabe«, sagte Großvater Rugar. Er lächelte nicht und hockte sich auch nicht wie die anderen Erwachsenen neben Gabe. Er blieb neben der Tür stehen und blickte auf Gabe herab.
    Im Hinterzimmer ertönte ein dumpfer Knall. Gabes Mutter trat in den Hauptraum.
    »Rugar«, stieß sie atemlos hervor. »Du bist früh dran.«
    »Und nicht unwillkommen, hoffe ich«, erwiderte Großvater Rugar.
    Gabe kniff die Lippen zusammen. Er würde nicht antworten. Er wünschte, er hätte vorhin die Gelegenheit ergriffen, sich in sein Zimmer zurückzuziehen. Wenn er es jetzt tat, riefe ihn seine Mutter zurück.
    »Sag deinem Großvater guten Tag, Gabe.«
    »Tag«, sagte Gabe. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt.
    »Irgendwelche Fortschritte?« erkundigte sich Großvater Rugar bei Gabes Mutter, als wäre Gabe gar nicht anwesend.
    Sie schüttelte einmal kurz den Kopf, eine rasche Bewegung des Unbehagens.
    »Das ist wirklich seltsam«, sagte Großvater Rugar. »Bei gemischten Kindern zeigt es sich gewöhnlich schneller.«
    »Diesen Ausdruck benutzen wir nicht«, erwiderte seine Mutter bestimmt.
    »Das ganze Schattenland weiß es. Er wird sich daran gewöhnen müssen.«
    Gabe konnte nicht länger still bleiben. »Woran muß ich mich gewöhnen?«
    »Dein Erbe, Junge«, antwortete Großvater Rugar. Dann bückte er sich und streckte die langen, schlanken Hände aus. »Komm her.«
    Gabe sah seine Mutter an. Er wünschte, er wäre wieder klein. Dann könnte er jetzt zu ihr laufen und sich hinter ihren Beinen verstecken.
    Sie nickte in Großvater Rugars Richtung.
    Gabe blieb keine andere Wahl.
    Er schritt über den Teppich bis zu den ausgestreckten Händen seines Großvaters. Aber als er vor ihnen angelangt war, berührte er sie nicht.
    »Ich beiße nicht, Junge«, sagte Großvater Rugar.
    Gabe schwieg noch immer. Aus der Nähe roch Großvater Rugar nach Zimt und Leder. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten und grimmig, seine Augen funkelten.
    »Das Kind sollte öfter unter Leute kommen«, rügte Großvater Rugar Gabes Mutter. »Er ist zu schüchtern.«
    »Ihr wolltet ihn doch von den anderen Kindern fernhalten.«
    »Aber nicht um den Preis, daß er völlig ungesellig wird.«
    Gabe stand wie angewurzelt, unwillig, näher zu treten. Er haßte diese Diskussion. Schon hatte er einen Fehler gemacht, und er war sich nicht einmal sicher, welchen.
    »Er ist gesellig genug, Rugar«, sagte seine Mutter. »Wenn überhaupt, ist er zu frühreif.« Ihre Stimme stolperte über das letzte Wort, als wollte sie es nicht aussprechen.
    Aber Großvater Rugar schien nichts aufzufallen. »Ich finde ihn schüchtern.«
    »Ich glaube, er hat Angst vor dir.«
    Gabe biß die Zähne zusammen. Das war das letzte, was er wollte: daß Großvater Rugar wußte, daß er sich vor ihm fürchtete. »Ich habe keine Angst, Großvater«, sagte er, obwohl seine Stimme sogar in seinen eigenen Ohren merkwürdig klang. Und um seine Worte zu bekräftigen, ergriff er mit seiner kleinen, breiten Hand die langen Finger seines Großvaters.
    Die Welt explodierte in Farbe und Licht. Gabe sah eine Fey-Frau, die ein langes weißes Kleid trug und in den Armen eines breitschultrigen Mannes lag. Der Mann hatte gelbes Haar und bleiche Haut. Das Paar kam ihm bekannt vor, als habe er die beiden schon einmal gesehen. Der Mann rief etwas in einer unbekannten Sprache. Die Worte klangen wie Orma lii. Orma lii. Sein Großvater stand neben ihnen. Er zog eine Flasche Wasser aus dem Gewand und goß ihren Inhalt über die Frau. Diese schrie auf wie unter großen Schmerzen.
    Gabe kannte ihre Stimme. Seine Mutter. Und er hatte sie noch nie gesehen. Ihr halbes Gesicht war weggeschmolzen. Ihr Kleid verdeckte ihre Flügel. Aber die Hände waren falsch, auch das Kinn.
    Der gelbhaarige

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