Fey 03: Der Thron der Seherin
wie die Bankgebäude in Nye. Nach der Eroberung von Nye hatte Rugar einen halb so großen Raum zu seinem Schlafzimmer gemacht. Die Fey brauchten keine Paläste und prunkvollen Gebäude. Der Schwarze König war und blieb der Schwarze König, ob er nun in einem prachtvollen Saal, einem Zelt mitten auf einem Schlachtfeld oder einem lautlos und unsichtbar schwebenden Schattenland wohnte. Die Macht eines Schwarzen Königs beruhte auf seiner Person, nicht auf einem Gebäude.
In seinen Umhang gehüllt, stand Rugar unter der geschwungenen Flügeltür. Im Saal befanden sich sämtliche Adligen der Insel. Rugar hatte nur zwanzig seiner eigenen Leute mitgebracht und sie gleich auf ihre Plätze in den vordersten Reihen geschickt. Er selbst zog es vor, hier stehen zu bleiben und den Saal im Auge zu behalten. Hier zu stehen und, wenn er Glück hatte, Jewel als erster zu sehen.
Er hatte versucht, sie im oberen Stockwerk aufzusuchen, aber man hatte ihm mitgeteilt, daß sie sich gerade ankleidete. Als hätte Jewel jemals Zeit auf ihre Kleidung verschwendet. Aber für diese Leute waren Rituale ja so wichtig, und eines der wichtigsten Rituale vor einer Krönung war es offenbar, dafür zu sorgen, daß die Königin angemessen gekleidet war.
Auch Rugar hatte seine besten Kleider angezogen. Einen schwarzen Umhang, in den gute Wünsche eingewebt waren. Seine Soldatenstiefel. Und ein weißes Hemd, das Jewels Mutter ihm geschenkt hatte, als Jewel noch kleiner war als Gabe heute. Anders als bei Jewels Hochzeit hatte Rugar heute Grund zum Feiern. Er war der Alleinherrschaft der Fey über die Insel einen Schritt näher gekommen.
Burden, Hanouk und andere Bewohner der Siedlung saßen auf den Emporen. Rugar hatte sie beim Betreten des Saals sofort erblickt, aber er ließ sich nicht anmerken, daß er sie erkannt hatte. Wenn Jewel erst einmal die Insel regierte – falls es jemals soweit kam –, würde Rugar Burden und seine Leute als Verräter hinrichten lassen. Sie hatten kein Recht gehabt, die Siedlung zu gründen. Sie handelten seinen Befehlen bewußt zuwider. Und aus Solandas Berichten schloß Rugar, daß sie ihren Preis zu zahlen hatten. Ihr gepriesenes Heiligtum war trotz allem kein sicherer Hafen. Sie lebten in ständiger Angst.
Das geschah ihnen nur recht.
Sonst befanden sich nur Inselbewohner im Saal. An manche erinnerte sich Rugar von Jewels Hochzeit. Andere hatte er noch nie gesehen. Auch jede Menge Schwarzkittel waren gekommen. Einer von ihnen hatte versucht, Rugar einen Platz anzuweisen, aber Rugar hatte ihn mit bösen Blicken und wütendem Zischen verscheucht. Die Schwarzkittel hatten genausoviel Angst vor den Fey wie die Fey vor ihnen. Nur vergaßen die meisten Fey, sich diese Tatsache zunutze zu machen.
Ganz vorn saß der Rocaan. Sein roter Talar hob ihn hervor wie ein Blutopfer. Er machte Rugar nervös. Einmal hatte der Rocaan Jewel während der Hochzeit berührt, und da hatte Rugar sein Messer gezückt, bereit, seine Tochter zu verteidigen. Auch diesmal trug Rugar ein Messer bei sich, ebenso wie seine Leute. Außerdem waren sie alle mit Ziegenblasen voll Flußwasser ausgerüstet, falls etwas schiefging.
Die Hüter des Zaubers hatten herausgefunden, daß die Wirkung des Giftes abgeschwächt, vielleicht sogar gestoppt werden konnte, wenn man es verdünnte. Rugar hatte weder Zeit noch Gelegenheit gefunden, heimlich Flußwasser in die Giftfläschchen, die vorne auf dem Tisch standen, zu füllen, aber falls etwas passieren sollte – falls der Rocaan das Weihwasser als Waffe einsetzte –, hatten Rugars Leute immerhin ihre Blasen und konnten einander mit Flußwasser besprühen, um die Wirkung des Giftes zu bekämpfen.
Dieses Flußwasser konnte Leben retten.
Falls Rugar es einsetzen mußte.
Er hoffte, daß es nicht soweit kam.
Auch Solanda saß ziemlich weit vorne. Sie sah atemberaubend aus in ihrem grünen Kasack und der dazu passenden Hose. Sogar ihre Stiefel waren darauf abgestimmt. Die meisten Fey trugen auf Rugars Befehl Grün. Jewel sollte wissen, wie sehr sie sich alle über den Tod des Königs freuten.
Burdens Leute trugen kein Grün. Sie waren in gesetztes Braun und Schwarz gehüllt. Passend für jeden Anlaß. Rugar schob die Hände in die Hosentaschen. Er hatte nicht erwartet, daß die Siedlung sich so lange halten würde. Trotz all der Schwierigkeiten, von denen Solanda berichtet hatte, hielten die Siedler durch. Rugar konnte ihren Trotz nachvollziehen, nicht aber ihre Entschlossenheit. Vielleicht ahnten sie,
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