Fey 04: Die Nebelfestung
starb – war der Hof abgeriegelt und leer gewesen. Nur die zur Krönungszeremonie zugelassenen Gäste waren zu sehen, und nur die unbedingt benötigten Türen waren geöffnet gewesen. Alle anderen hatte man fest verrammelt. Unbewußt hatte Rugar auch jetzt den gleichen Anblick erwartet.
Er erwartete, daß sie von seiner Anwesenheit wußten.
Aber niemand ahnte etwas. Niemand dachte auch nur im entferntesten daran, daß sich ein Fey in den Palast einschlich. Nicht einmal nach dem Debakel mit Burden und dem heiligen Mann. Dem Mann, der Jewel ermordet hatte.
Burden hatte versagt. Zehn von Rugars besten Leuten waren beim Scheitern eines Plans zu Tode gekommen, den Rugar von Anfang an für undurchführbar gehalten hatte. Aber Burden hatte keine Rücksprache mit ihm gehalten. Als Rugar etwas von dem Plan erfuhr, war Burden bereits losgezogen.
Wind war der einzige Überlebende.
Rugar wäre jemand anderes lieber gewesen. Aber Irrlichtfänger hatten meistens Glück. Sie überlebten die meisten Schlachten. Schließlich mußten sie sich nur klein machen und einfach davonfliegen.
Rugar standen derlei Möglichkeiten nicht zur Verfügung. Er mußte sich sogar verkleiden, was ein Grund dafür war, daß Visionäre niemals in die Schlacht zogen.
In der Tasche seines Gewandes führte er ein Messer mit sich. Es beeinträchtigte zwar den Faltenwurf, doch wenn er die Hand darauf legte, konnte der die Scheide verdecken und die Waffe unter dem Arm verbergen. Er wußte, daß er außergewöhnliches Glück haben mußte, wollte er bis zum Kinderzimmer unentdeckt bleiben.
Der Rückweg war einfacher. Mit der Messerspitze an der Kehle des Kindes, einigen überzeugend ausgestoßenen Drohungen und vor allem durch Geschwindigkeit. Innerhalb kürzester Zeit würde er wieder weg sein.
Nein. Die schwierigen Augenblicke waren die, die jetzt direkt vor ihm lagen.
Er beschloß, den ihm bekannten Weg einzuschlagen, und umrundete die Stallungen. Einer der Stallknechte sah ihm mißtrauisch hinterher. Der Bursche kam ihm irgendwie bekannt vor, doch Rugar wollte ihn nicht länger als nötig anschauen. Es war zu gefährlich. Viel zu gefährlich.
Der Stallknecht unternahm jedenfalls nichts. Rugar bog hinter ihm auf den Weg ab, der zur gegenüberliegenden Seite des Palastes führte. Bis hierher waren nur wenige Türen bewacht. Die Küchentür stand weit offen, dampfende Hitze quoll heraus, niemand hielt davor Wache. Rugar zog sie trotzdem nicht in Betracht, weil er der Ansicht war, daß ein Aud sogar dort Mißtrauen erregte.
Er hatte seine Geschichte parat. Er mußte dem König eine Nachricht vom Rocaan überbringen. Rugar erinnerte sich aus all den Jahren daran, daß Auds die Nachrichten des Rocaan überbrachten. Vor fünf Jahren hatte ihm ein Aud die Bitte des Alten Rocaan überbracht, sich mit ihm zu treffen. Es war das Treffen gewesen, bei dem der Alte Rocaan starb.
Auch vor dem Eingang zur Krönungshalle standen keine Palastwachen. Die Halle befand sich im hinteren Bereich der Anlage versteckt, so weit vom Haupttor entfernt, um als sicher und uneinnehmbar zu gelten. Der Hauptmann der Wache hielt es wahrscheinlich für unnötig, diesen Raum auch noch bewachen zu lassen.
Der Hauptmann täuschte sich.
Rugar zog an der Flügeltür. Sie war unverriegelt. Er drückte die Klinke nieder und trat ein. Die Luft im Palast war wärmer als die draußen und roch abgestandener. Der Gang war staubig. Seit Jewels Tod war niemand mehr hiergewesen.
Er schritt den schmalen Korridor entlang. Als er beim ersten Mal hier durchgegangen war, hatte er über die Marmorfußböden gestaunt, über die Ausgaben, die nicht gescheut worden waren, um diese Halle auszugestalten, die nur einmal pro Generation gebraucht wurde. In dieser Hinsicht hatte er recht gehabt, zur Blauen Insel zu segeln: Die Gerüchte hinsichtlich ihres Reichtums waren nicht übertrieben gewesen.
Nur hinsichtlich alles anderen hatte er sich gründlich getäuscht.
Seine Vision war endgültig dahin. Bei Jewels Tod hatte er es sich ohne Vorbehalte eingestanden. Er hätte das alles Voraussehen müssen, ebenso wie die Geburt seiner Enkelin. Er hätte die anfänglichen Niederlagen und die Fallen, die die Insel für die Fey bereithielt, Voraussehen müssen.
Er hatte nichts davon Gesehen.
Und Gabe weigerte sich, ihm zu helfen.
Es wurmte Rugar, daß ihn ein dreijähriger Junge überlisten konnte. Aber der Junge verfügte tatsächlich über größere Kräfte als Rugar. Als Gabe den geistigen Pfad zu Coulter
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