Fey 04: Die Nebelfestung
verfluchte sie den Haushofmeister. Schon seit dem Abend vor der Krönung war er hinter ihr her, seit dem Abend, an dem der König sie in der Küche zu einem Essen eingeladen hatte. Der Haushofmeister hatte ihr andere Pflichten zugeteilt, sie vom königlichen Flügel abgezogen und ihr andere Arbeit im Gästeflügel zugewiesen.
Das war schlimm genug. Jetzt sah sie den König kaum noch, und wenn, dann sah er immer ganz verhärmt aus. Sie wußte, wie er sich fühlte, nachdem er den alten König, seinen Vater, verloren hatte. Sie selbst war sich ein wenig aus der Bahn geworfen vorgekommen, sie war auch ein wenig ängstlich gewesen deshalb, so wie wohl alle Inselbewohner. Aber dann, der Tod seiner Frau … Es machte alles noch schlimmer, egal, wie sehr Charissa sie sich weggewünscht haben mochte.
Und die Gerüchte über das neugeborene Mädchen … Sie jagten Charissa Schauer über den Rücken.
Das hätte sie dem Haushofmeister erzählt, wenn er sie danach gefragt hätte, aber nein. Er hatte ihr einer einzigen Bemerkung wegen befohlen, die Korridore zu putzen.
Wegen einer Bemerkung.
Jetzt durfte sie schrubben, bis ihr die Hände bluteten.
Ich finde, der König ist der bestaussehende Mann im ganzen Königreich, hatte sie gesagt. Andere Dienstmädchen hatten das auch schon gesagt, sogar in Anwesenheit des Haushofmeisters. Sie hatte ihn daran erinnert. Doch von ihnen bilde sich keine ein, sie könne Königin werden, hatte er erwidert.
Als ob sie glaubte, sie könne jemals Königin werden.
Davon träumen, ja, aber nicht daran glauben.
Der König hatte sie in letzter Zeit nicht einmal mehr angesehen. Wie auch, wo er sich jetzt, nach dem Tod seines Vaters, um alles kümmern mußte, dazu dieses entsetzliche Kind, er hatte ja nicht mal Zeit zu schlafen, geschweige denn …
Sie errötete, obwohl sie ganz allein durch den Korridor ging. Immer wenn sie an ihn und daran dachte, brachte sie sich selbst ganz durcheinander.
Sie setzte die Eimer ab, stellte sich auf und streckte sich. Ihr Rücken knackte. Den ganzen Morgen schon hatte sie in den Gemächern der Gäste die Kamine saubergemacht. Die Haushälterin verlangte die Einhaltung des Frühlingsplans. Schon jetzt, da viele von ihnen nicht in Gebrauch waren, die ganze Woche Kamine, die restlichen dann in einem Monat, wenn es zu warm zum Heizen geworden war. Dabei hatte schon so lange niemand mehr in den Gästegemächern logiert, daß Charissa einige der Kamine vorgekommen waren, als seien sie den ganzen Winter über nicht benutzt worden.
Seit der Krönung war die Arbeit besonders schwierig geworden. Kaum hatte die Neuigkeit von dem Neugeborenen die Runde gemacht, hatte die halbe Belegschaft gekündigt. Sie wollten nicht im gleichen Haus wie das Dämonenkind sein. Charissa mußte die doppelte Arbeit in der gleichen Zeit verrichten. Der Haushofmeister stellte zwar ständig neue Leute ein, doch die waren langsam und ihre Arbeit noch lange nicht so, wie sie sein sollte.
Charissa hob die Eimer wieder an. Etwas Wasser schwappte auf ihre Schuhe. Die Nässe durchweichte den Stoff, und sie hinterließ eine zarte Spur auf dem Fußboden. Sie seufzte. Zum Glück hatte sie noch nicht angefangen, sonst müßte sie den ganzen Boden ein zweites Mal wischen.
Sie wollte bei der Krönungshalle anfangen, weil ihr dieser Flügel des Palastes gut gefiel, und um dorthin zu gehen, war ihr jeder Vorwand recht. Er erinnerte sie an den Abend, an dem sie sich dort mit dem König unterhalten hatte. Ihr zweitliebster Ort war die Küche, an dritter Stelle kam der Große Empfangssaal.
Sie fragte sich, ob er gelegentlich an sie dachte.
Seit der Geburt des Teufelskindes hatte sich niemand mehr in diesem Flügel aufgehalten, und das sah man auch. Überall Staub, sogar dort, wo zuvor alles blitzblank geglänzt hatte. Sie wollte vor der verschlossenen Tür zur Halle anfangen und sich dann bis zur Küche zurückarbeiten, dort vielleicht eine kleine Mahlzeit einnehmen und dann bis zur Empfangshalle weitermachen. Bis dahin empfand der Haushofmeister vielleicht Mitleid mit ihr und gewährte ihr ein wenig Schlaf.
Das hatte er schon etliche Male getan.
Sie bog um die Ecke in den langen Korridor, der zur Krönungshalle führte.
Und blieb wie angewurzelt stehen.
Vor der Flügeltür stand ein verwirrt aussehender Aud. Er kam ihr sehr groß für einen Aud vor. Seine Robe war ungewöhnlich lang. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. In der letzten Zeit hatte sie merkwürdige Geschichten über die Rocaanisten
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