Fey 04: Die Nebelfestung
vielleicht auch Adrian – oder Nicholas – einen abtrünnigen Fey finden, der ihm alle Tricks beibrachte.
Alles war möglich. Das hatte er an diesem Nachmittag gelernt, als Coulter sich schluchzend an seine Brust gedrückt hatte.
Alles. Sogar Magie an Stellen, wo es zuvor keine gegeben hatte.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken. Sein Herz raste, dann fing er sich wieder. Es bestand kein Grund zur Panik. Die meisten Fey kamen einfach herein. Nur zwei Leute klopften an.
Coulter und Mend.
In der Erwartung, Coulter vor sich zu sehen, zog Adrian die Tür auf. Doch statt des Jungen stand Mend vor ihm. Sie sah klein und verängstigt aus und schob sich gleich an ihm vorbei in die Hütte.
»Mach die Tür zu«, sagte sie in der Sprache der Inselbewohner. Sie beherrschte die Sprache schon recht gut, doch ihr Akzent war so schwer, daß die meisten Einheimischen Schwierigkeiten gehabt hätten, sie überhaupt zu verstehen.
Mit dem Geschmack der Angst auf der Zunge schloß er die Tür. Hatte Rugar seinen Plan bereits entdeckt? War Coulter etwas zugestoßen? Er konnte nicht einmal fragen, ohne den Jungen damit in Gefahr zu bringen.
»Ich habe nur einen Augenblick Zeit«, sagte Mend. »Dann muß ich wieder ins Domizil.«
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zur Pritsche, zog ihn herunter neben sich, und für einen Moment dachte er schon, sie wollte mit ihm schlafen. Das hatte sie schon mehr als einmal versucht, doch er hatte sich geweigert, weil er diesen Ort, sein Gefängnis, nicht mehr akzeptieren wollte, als er bislang dazu gezwungen war. Hätte er sich zugestanden, sich in Mend zu verlieben, hätte er niemals mit Coulter Fluchtpläne schmieden können. Adrian hätte sich selbst komplett verloren.
Dabei gefiel sie ihm. Sehr sogar. Alle Fey-Frauen besaßen einen ätherischen Charme, den er sehr anziehend fand. Mend ganz besonders. Ihr dunkles Haar, das sie im Gegensatz zur üblichen Tracht offen trug, reichte ihr bis unter die Knie. Ihre Augen waren so spitz zugeschnitten wie ihre Ohren, und ihre Augenbrauen zeichneten exakt die Wölbung ihrer Stirn nach. Ihre Nase war schmal und anmutig, ihre Lippen von einem vollen, dunklen Rot. Viele Nächte hatte er schlaflos auf dieser Pritsche gelegen und an sie gedacht.
Obwohl er wußte, daß die Fey körperliche Anziehung manchmal einsetzten, um jemanden in die Falle zu locken.
»Was gibt es denn so Dringendes?« fragte er.
»Eigentlich darf ich dir das nicht sagen.« Sie nahm seine Hände in ihre. Ihre Hände waren schlank, so wie ihr ganzer Körper, ihre Finger waren länger als seine. »Aber ich kann nicht schweigen. Du hast deinen Teil der Abmachung in gutem Glauben eingehalten.«
Er versteifte sich. Immer wenn die Fey von seiner Abmachung sprachen, redeten sie auf merkwürdige Weise drumherum, als hätten nicht auch sie dieser Abmachung zugestimmt. Doch Mend hatte ihn viele Male danach gefragt und nie einen Mangel an Respekt erkennen lassen, war stets interessiert und mitfühlend gewesen.
»In der letzten Nacht, die dein Sohn hier verbrachte, war er im Domizil.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Wir belegten ihn und seine Kleidung mit einem Zauber, damit wir ihn jederzeit aufspüren können.«
»Das hatte Jewel angekündigt.«
»Dann verließen wir ihn. Doch es kamen andere, von denen ich weiß, daß sie ihn ebenfalls verzauberten. Und ich weiß, daß sie ihn den Traumreitern überließen, damit sie ihn mit falschen Erinnerungen ausstatteten. Bis heute wußte ich jedoch nicht, was sie sonst noch mit ihm gemacht haben.«
»Verzaubert?« Die Worte klangen in der Inselsprache immer so unvollkommen. »Erzähl es mir auf Fey.«
Sie schüttelte den Kopf. »Diese Zauber sind nicht so wichtig. Nur über einen solltest du Bescheid wissen: Burden hat deinen Sohn als Attentäter mißbraucht.«
»Was?« entfuhr es Adrian. »Geht es ihm gut?«
»Ich glaube, ja«, erwiderte Mend. »Aber ich weiß es nicht.«
»Wie konnte er Luke denn einsetzen? Luke war doch außerhalb der Schattenlande.«
»Burden ist zaubermächtig. Solanda machte ihm diese Erkenntnis zugänglich, und auf diese Weise wurde Luke mit einem Zauber belegt. Außerdem bekam er viele Befehle, damit er uns nützlich sein konnte, falls dir etwas zustoßen sollte. Aber das war der Schlüssel, Adrian. Solange du deine Abmachung einhältst, bleibt Luke unangetastet.«
Adrian hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand mit der Faust in den Magen geschlagen. Er war froh, daß er saß. »Man
Weitere Kostenlose Bücher