Fey 04: Die Nebelfestung
Eigenarten waren ihm aufgefallen, doch er wartete, bis Fledderer ihn darüber aufklärte.
Was Fledderer jedoch nicht tat.
Es war jedoch nicht zu übersehen, daß derjenige, der die Hütte gebaut hatte, im Verlauf des Bauens dazugelernt hatte. Die Bretter des Schattenland-Genesungsraumes waren kreuz und quer zusammengenagelt, in einigen gähnten sogar große Astlöcher. Der letzte Raum jedoch, Fledderers Privatgemach, das er ihnen nur ganz kurz zeigte, war sogar mit Dielenboden versehen und hatte keine Fenster. Es war sauber, beinahe makellos rein, kein Stäubchen gelangte dort hinein.
Überhaupt nichts.
Adrian streckte sich. Er fühlte eine Freude in sich aufsteigen, wie er sie seit der Geburt seines Sohnes nicht mehr verspürt hatte. Die einfachen Dinge machten ihn glücklich. Er hatte das nicht gewußt, hätte es wohl nie erfahren, wenn ihm nicht jemand eines Tages die Natur mitsamt ihrem Wetter, den Blumen und dem Erdboden genommen hätte.
Bei Coulter lag die Sache anders.
Nachdem sie die Hütte endlich erreicht hatten, hatte der Junge fast pausenlos drauflosgeplappert. Fledderer war der Ansicht, daß diese Reaktion für jemanden, der im Schattenland gefangen gewesen war, durchaus normal sei, ein bißchen extrem vielleicht, aber was habe Adrian denn erwartet? Der Junge dachte, die Welt sei grau, nicht voller bunter Farben und Lebewesen. Es erforderte noch einiges an Zeit und Geduld, bis er sich an den Unterschied gewöhnt hatte.
Das Problem bestand darin, daß Adrian weder über das eine noch das andere verfügte. Jetzt, da er dem Schattenland entronnen war, wollte er sich so weit wie möglich von ihm entfernen.
Er wollte Luke wiedersehen.
Er wollte den Rest seiner Familie wiedersehen, und den Hof am Fluß im hellen Tageslicht, und Jahn, und die Brücke, und …
Und alles andere. Alles, was er seit so langer Zeit entbehrte.
Auch Fledderer ging ihm ein wenig auf die Nerven. Die Rotkappe hatte ihm seine Geschichte mitsamt der Ermordung Caseos und der Flucht aus dem Schattenland erzählt, doch was er seither gemacht hatte, darüber schwieg er sich fast völlig aus. Adrian konnte es sich denken. Ein unverkleideter Fey war in keiner Inselgemeinde besonders willkommen. Wahrscheinlich hatte Fledderer die letzten Jahre ganz allein verbracht.
Kein Wunder, daß er froh war, sie bei sich zu haben.
Adrian zog die Decke über Coulters Schulter und rückte sein Kopfkissen zurecht, damit Coulter noch etwas hatte, um sich die Augen zu verdecken. Dann schwang sich Adrian von der Matratze. Fledderer konnte diese Matratze nicht selbst angefertigt haben, mußte sie also aus einer der Siedlungen in der Nähe gestohlen haben. Sie war zu weich, die Nähte zu perfekt, die Füllung zu gleichmäßig, um aus Zweigen, Ranken und Blättern zusammengeschustert worden zu sein. Außerdem hatte er nirgendwo in der Hütte einen Webstuhl oder Nähsachen gesehen.
Nach dem anstrengenden Lauf durch den Wald hatte Adrian die weiche Matratze steif gemacht. Er erhob sich und reckte die Glieder ausgiebig, dankbar dafür, daß er überhaupt die Gelegenheit hatte, sich zu strecken. Fledderer hatte sie nicht den Fey ausgeliefert, ein Versprechen, das auch Adrian ihm gegenüber halten würde.
Sein Magen knurrte. Er mußte für sich und Coulter Frühstück besorgen und dann entscheiden, welchen Schritt sie als nächsten tun sollten. Er machte die Tür an der gegenüberliegende Wand der Hütte auf und ließ sie offenstehen.
Fledderer saß an seinem Tisch, mehrere kleine Kuchen auf einem kleinen Teller vor sich. Er hatte sich in einem der hinteren Räume aus Lehm einen Backofen gebaut. Zum Backen mußte er die halbe Nacht wach gewesen sein.
Adrian war merkwürdig berührt. Seit vielen Jahren hatte ihn niemand mehr als Individuum behandelt. Nicht einmal Mend. Er hatte ihr leid getan, sie hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, aber sie hatte ihn nicht als eigenständige Person mit eigenen Gefühlen, eigenen Überzeugungen und eigenen Vorlieben behandelt.
»Guten Morgen«, sagte er und ließ sich auf einem Stuhl nieder.
Fledderer grinste ihn an und schob ihm den Kuchenteller hin. »Dachte mir, daß ihr vielleicht richtiges Essen haben wollt. Ich kann dir gar nicht sagen, wie lange es gedauert hat, bis ich kochen und backen gelernt habe. Aber ich bin froh, daß ich’s versucht habe.«
Adrian nahm sich einen kleinen Kuchen. Er war rund und flach und weich. Er biß ab. In der Mitte war er sogar noch warm. »Und ich erst«, sagte er und grinste
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