Fey 04: Die Nebelfestung
in der Tasche seiner Robe. Er war nicht mehr daran gewöhnt, auf blankem Boden zu gehen. Als er diese Sakristei als Rocaan betreten hatte, war er über einen roten Teppich geschritten. Alles hatte er erreicht. Er hatte die höchste Stellung im Königreich inne, gleich nach dem König selbst.
Doch im Gegensatz zu Porciluna, hatte er sich nie nach diesem Luxus verzehrt. Er hatte ihn einfach nur als Bestandteil seiner gesellschaftlichen Stellung angesehen. Wie die Worte. Wie seinen vorgeblichen Glauben.
Dämonenbrut.
Lord Stowe hatte einen Trupp Wachsoldaten im Tabernakel zurückgelassen. Matthias war zu müde gewesen, um sich dagegen zu wehren, auch unsicher, ob er den Schutz nicht selbst haben wollte. Es war dumm, sich den Fey gegenüber allzu verwundbar zu zeigen.
Und trotzdem fühlte er sich genau so. Dumm.
Schon immer hatte er sich seiner Position für unwert befunden. Jetzt versuchten alle, diese Position zu schützen, obwohl sie ihm gleichzeitig vorwarfen, er mißbrauche sie.
Sie warfen ihm vor, mit magischen Kräften ausgestattet zu sein.
Warfen ihm vor, so wie die Fey zu sein.
Allein der Gedanke daran ließ ihn erschauern. Er warf einen Blick zu dem Schwert hinauf. Er stand direkt unter der Spitze. In der geschriebenen Geschichte des Tabernakel stand verzeichnet, daß die Ältesten sich über die Aufhängung des Schwertes gestritten hatten, weil einige befürchteten, es könne eines Tages auf einen Gläubigen herabfallen. Woraufhin einer der Ältesten gesagt hatte, wenn der Gläubige den Zorn Gottes verdiente, dann solle das Schwert fallen.
Seit zweihundert Jahren hing das Schwert an seinem Platz.
Matthias wünschte sich fast, es würde jetzt herunterfallen. Auf diese Weise wären sie alle eine große Sorge los, und er müßte sich keine Gedanken mehr um seine Zukunft machen.
Ihr habt kein Mitgefühl.
Nicht für Dämonen!
Er seufzte und ging den Mittelgang entlang. Seine Sandalen flüsterten über das polierte Holz. Als er die Flügeltür erreicht hatte, blieb er stehen. In das Türholz waren Hunderte winziger Bilder aus dem Leben des Roca eingeschnitzt. Eines zeigte, wie ihn die Leute freudig begrüßten.
Freudig.
Matthias war noch nie freudig begrüßt worden. Nicht einmal vom alten Rocaan, der ihn immerhin zu seinem Nachfolger auserkoren hatte.
Er drückte die Tür auf und trat in den Korridor hinaus, wo sich sofort links und rechts von ihm ein Wachsoldat postierte und sich mit ihm in Bewegung setzte. Er würde nirgendwo mehr allein hingehen können. Nicholas hatte sich einen guten Trick einfallen lassen, mit Hilfe dessen er Matthias am Gängelband führen konnte. Ihn beschützen. Warum sollte er persönlichen Schutz ablehnen?
Nur jetzt konnte er ihn nicht gebrauchen.
»Ich muß eine private Andacht abhalten«, sagte er dem Wachsoldaten neben sich.
»Wir warten vor dem Zimmer, genau wie eben«, erwiderte der Mann.
Matthias schüttelte den Kopf. »Nein, ich will ein Stück gehen.«
»Dann folgen wir Euch«, sagte der Soldat. »Mit soviel Abstand wie möglich, um Euch nicht zu stören.«
Matthias schüttelte abermals den Kopf. Er durfte nicht zu sehr widersprechen. Es spielte keine Rolle, ob sie ihm folgten oder nicht. Der Verlust an Privatsphäre war wohl der Preis seiner Sicherheit.
In diesem Moment war er, mit der schmerzhaft pochenden Hand an der Seite, bereit, diesen Preis zu zahlen.
Er verließ den Tabernakel, ohne den Wachen zu sagen, wohin er wollte. Die Morgenluft, die von Westen, von den Felsenwächtern hereinblies, war kühl und sauber.
Auch die Fey waren von dort gekommen.
Die Sonne war bereits aufgegangen und stand hell am Himmel. Die Vögel zwitscherten in der Luft, und der Fluß gluckste und gurgelte ausgelassen. Bis auf ein paar Blutspritzer auf den Steinplatten war hier von der Gewalt und dem Sterben der vergangenen Nacht nichts mehr zu sehen.
Matthias verschränkte die Hände auf dem Rücken und spazierte durch das Tor hinaus. Er schritt kräftig aus, als wolle er seine Ländereien begutachten. Die Leute, die ihn erkannten, verneigten sich vor ihm und wichen anstandsgemäß zurück, aber sie zeigten keine Freude.
Warum auch? Er hatte ihnen noch keinen Anlaß zur Freude gegeben.
Soweit er wußte, hatte das der Roca allerdings auch nicht getan. Das Leben des Roca war ihnen nur in Form einzelner Begebenheiten und kurzer Geschichten überliefert. Vielleicht waren die freudigen Geschichten irgendwann einfach weggelassen worden.
Matthias spazierte am schilfbewachsenen
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