Fey 05: Der Schattenrpinz
Knochen, und wenn er am Morgen aufstand, war er ganz steif, auch wenn er nicht in der Schlacht gekämpft hatte.
Das Alter war der Fluch des Soldaten und der Segen des klugen Mannes.
Rugad lächelte. Klug war er wahrhaftig. Bis jetzt hatten sich die Dinge besser als erhofft entwickelt. Sein Sohn, Rugar, stand ihm nicht mehr im Weg, und Jewel, seine Enkelin, hatte lange genug gelebt, um sich mit der wilden Magie dieses Ortes zu vermählen und ihm einen Urenkel zu schenken, der des Schwarzen Throns würdig war.
Fast zwei Jahrzehnte hatte Rugad die Invasion der Blauen Insel hinausgezögert. Dafür gab es mehrere Gründe. Er wollte, daß die Inselbewohner sich in Sicherheit wiegten. Er wollte, daß sie vergaßen, wie man kämpfte. Und er wollte, daß sein Urenkel zum Mann reifte, in den Vollbesitz seiner Fähigkeiten gelangte.
Jetzt, da sein Urenkel ein Mann war, war es an der Zeit, ihn in den Schoß der Familie zurückzuholen. Rugad beabsichtigte nicht, bis an sein Lebensende zu regieren, aber er wollte auch nicht, daß seine anderen Enkel an die Macht kamen. Rugars andere Kinder waren ebenso tollkühn, impulsiv und leichtsinnig, wie ihr Vater es gewesen war. Keiner von ihnen würde den Schwarzen Thron nach Leutia bringen. Einzig und allein sein Urenkel war dazu in der Lage.
Rugad hatte es Gesehen.
Der Torkreis öffnete sich erneut. Ein leises Pfeifen ertönte, ein Warnsignal, das nur Rugad hören konnte, eine Vorsichtsmaßnahme, die er in alle seine Schattenländer einbaute. Als Weißhaar, einer seiner Ratgeber, eintrat, richtete Rugad sich auf.
Weißhaar wurde nicht aufgrund ungewöhnlicher Intelligenz oder Erfahrung so genannt, sondern weil er schon als Kind wie ein alter Schamane ausgesehen hatte. Er sah noch immer so aus, obwohl er wie Jewel erst Mitte Dreißig war, nach den Maßstäben der Fey fast noch ein Jüngling. Er war schlank und kräftig. Seine Magie war die subtile Zauberkraft eines Hexers, eine Macht, die er bei anderen Anführern nicht zum Einsatz bringen konnte, die Rugad aber bei seinen Beratern außerordentlich schätzte. Ein Hexer hielt die Truppen bei Laune, was Rugad schon immer begrüßt hatte.
»Das hier ist kein richtiger Sieg«, sagte Weißhaar. »Sie haben sich freiwillig ergeben.« Er warf die langen, dünnen Zöpfe, die nach der Kriegssitte der Oudoun geflochten waren, zurück. Weißhaar war ein lebendes Beispiel für die Vorteile der Eroberungspolitik der Fey. Er war nach der Tradition der L’Nacin benannt worden, trug sein Haar wie die Oudoun und ging, wenn er nicht gerade an einem Kriegszug teilnahm, wie ein Nye gekleidet. Die Fey suchten sich aus allen Kulturen das Beste heraus und übernahmen es für ihre eigenen Zwecke.
Was allerdings die Blaue Insel betraf, hatte Rugad noch nichts entdecken können, was zu übernehmen sich gelohnt hätte.
»Das hier ist erst der Anfang. Die Insel ist groß.«
»Nicht so groß wie Galinas.«
»Aber so groß wie Nye.«
»Größer, wenn man den alten Karten Glauben schenken darf.« Weißhaar lehnte sich an den kleinen Stuhl neben Rugads Pritsche und verschränkte die mit Narben von seinen Heldentaten in der Schlacht von Feire übersäten Arme.
»Wir halten uns nicht mehr lange hier auf. Es gibt noch viel zu tun, bevor die ganze Insel unser ist.«
»Wir hätten überhaupt keine Etappe einlegen sollen. Wir hätten die Gunst der Stunde nutzen sollen.«
Rugad schüttelte den Kopf. »Wir haben die Zeit gebraucht. Unsere Mission erfordert großes Feingefühl. Ich habe meinen Urenkel noch nie richtig Gesehen. Die Visionen sind unklar, und für mich ist er nur ein Schatten. Ich will keinen Toten in meiner Familie riskieren, auch nicht durch ein Versehen.«
Weißhaar schüttelte sich. »Was ist mit ihrem König? Gehört er auch zu deiner Familie?«
»Das hängt ganz von ihm ab. Von unserem Blut ist er nicht.«
»Aber seine Kinder.«
Rugad nickte. »Einem Dutzend Schamanen ist es nicht gelungen, sein Schicksal vorherzusagen. Der Nebel ist zu dicht. Wir müssen vorsichtig sein. Alles, was wir tun, kann unsere Richtung beeinflussen.«
Weißhaars Gesicht verfinsterte sich. Seine feinen, fast weiblichen Züge wirkten plötzlich grimmig. »Finde du deinen Enkel, ich kümmere mich um die Versager. Ich habe meine eigenen, besonders unerfreulichen Methoden, um sie aus dem Weg zu schaffen.«
Rugad lächelte, aber er schwieg. Die überlebenden Fey, falls es welche gab, waren ein Problem für sich. Wenn sie wirklich der Meinung waren, daß Jewel ihren
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