Fey 05: Der Schattenrpinz
preßte die Wange gegen die kühle Haut des Jungen.
Sebastian war nicht sein Sohn.
Er und Jewel hatten ein begabtes Kind, ein zauberkräftiges Kind, genau wie Jewel es vorausgesagt hatte.
Nicholas wußte nicht, warum ihn dieser Gedanke so traurig stimmte, und unter der Traurigkeit schwoll heftiger Zorn. Rugar, Jewels Vater, hatte nichts unversucht gelassen, um ihrer beider Leben zu ruinieren. Hätte er Gelegenheit gehabt, Arianna zu stehlen, hätte er auch das getan. Und Nicholas hätte kein einziges seiner eigenen Kinder aufziehen können.
Er wußte nicht, was er nach alledem für Sebastian empfand.
Liebe und Zuneigung waren unversehrt. Nicholas würde seinen Verpflichtungen gegenüber dem Jungen immer nachkommen, aber ihre Beziehung hatte sich schon jetzt verändert. Nicht in Nicholas’ Herz. Insgeheim hatte er immer geahnt, daß mit Sebastian etwas nicht stimmte. Er hatte nur nicht gewußt, was.
Jetzt, wo er es wußte, fühlte er sich besser. Er fühlte sich nicht mehr schuldig.
Aber was sollte er jetzt tun? Er konnte die Mündigkeitszeremonie nicht durchführen wie geplant. Dieser Junge konnte die Blaue Insel nicht regieren. Er war nicht der rechtmäßige Thronerbe.
Der rechtmäßige Thronerbe war im Schattenland als Fey erzogen worden. Sicher hielt er sich auch selbst für einen Fey, genau wie Arianna sich als Inselbewohnerin betrachtete. Beide sahen keine Verbindung zwischen ihren Kulturen. Keine Versöhnung, wie Nicholas – und Jewel – gehofft hatten.
Eine leichte Brise strich durch das Fenster. Die Sonne war untergegangen. Der Mond goß in der trüben Dämmerung sein Licht über die Bäume. Bald würde Nicholas hinuntergehen und die Zeremonie absagen müssen. Wie, wußte er noch nicht. Der Rocaan sollte nicht glauben, daß er gewonnen hatte, daß Nicholas sich dem Druck des Tabernakels gebeugt hatte. Aber Nicholas konnte auch noch niemandem von Gabe erzählen.
Vielleicht sollte er so tun, als wisse er gar nichts von Gabes Existenz. Die Zeremonie abhalten wie geplant, Sebastian zum Thronerben einsetzen und ihm Arianna als seinen Verstand an die Seite stellen.
Damit würde Nicholas gegen eine jahrhundertealte Tradition verstoßen. Die Folge erstgeborener Söhne, die direkt vom Roca abstammten, würde unterbrochen.
Nicholas wußte ja nicht einmal, ob Sebastian überhaupt Kinder zeugen konnte. Wahrscheinlich nicht, da der Junge ja angeblich aus Stein war.
Es klopfte. Nicholas zuckte zusammen. Sebastian hob langsam den Kopf. Seine Wangen waren immer noch naß von Tränen. Nicholas wischte sie ihm ab.
»Herein«, rief er.
Ein Page trat ein. Er hielt eine Fackel, und Nicholas mußte blinzeln.
»Bitte um Verzeihung, Sire. Ich habe Euch erst jetzt gefunden. Ich wußte nicht, daß Ihr hier seid«, keuchte der Junge. Er verbeugte sich und verharrte in dieser Stellung.
Nicholas ignorierte die Entschuldigung. Wie lange mochte der Junge schon nach ihm gesucht haben? »Du bringst Neuigkeiten?«
Der Junge richtete sich wieder auf und hielt dabei die Fackel die ganze Zeit auf der gleichen Höhe. »Da ist ein Fey, der Euch sprechen will, und außerdem hat mich Lord Stowe gebeten, Euch zu sagen, es sei Zeit, mit der Zeremonie zu beginnen.«
Nicholas nickte. Ein Fey. Vielleicht war es sein Sohn, der jetzt, nachdem er entdeckt worden war, versuchte, sich seinem Vater auf offiziellem Wege zu nähern.
Vielleicht war es aber auch jemand anders.
»Bittet Lord Stowe, für das Wohl unserer Gäste zu sorgen. Sebastian und ich werden uns gleich zu ihnen gesellen.«
Sebastian griff nach Nicholas’ Hand und drückte sie fest. Nicholas erwiderte den Druck in der Hoffnung, den Jungen zu beruhigen.
»Wo ist dieser Fey?«
»In Eurem persönlichen Audienzzimmer, Sire.« Jedesmal, wenn er sprach, verbeugte sich der Page wieder. Es ging Nicholas auf die Nerven.
»Schicke fünf Wachen dorthin und vier weitere auf die Horchposten. Und zwei sollen hier beim Prinzen bleiben.«
»Bevor ich zu Lord Stowe gehe?« fragte der Junge.
»Jawohl«, bestätigte Nicholas.
Der Junge verbeugte sich ein letztes Mal und verließ rückwärts das Zimmer.
»Die Ze … re … mo … nie«, stotterte Sebastian. »Gabe … sollte … hingehen … nicht … ich.«
»Das ist unmöglich«, erwiderte Nicholas und tätschelte Sebastians Hand. »Ich werde mir etwas einfallen lassen. Bleib hier. Ich komme dich holen.«
Sebastian nickte. Nicholas erhob sich und nahm die Zunderbüchse vom Kaminsims. Er schlug ein paar Funken und entzündete
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