Fey 05: Der Schattenrpinz
kannst sie sehen?«
»Normalerweise nicht. Sie sind wie Markierungen, die anzeigen, wo ein Fey gewesen ist und wann. Die meisten Leute können sie nicht sehen.«
Coulter schon. So wie er Würmer unter der Erde finden und Blitze mit bloßen Händen aufhalten konnte.
»Ist das bei allen Fey so?« Lukes Stimme zitterte. Adrian legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.
»Bei allen«, bestätigte Coulter. »Fledderers Spuren sind silbern. Bis heute abend dachte ich, alle Fey-Spuren wären silbern.«
Luke und Adrian blickten wieder zum Himmel. Die Lichter, die Coulter erzeugt hatte, verblaßten allmählich, aber die rote Leuchtspur loderte unvermindert deutlich.
»Und woher stammt das da?« fragte Adrian, obwohl er sich vor der Antwort fürchtete.
Coulter ließ die Arme sinken. Das Licht verschwand. Die rote Spur glühte weiter. »Ist euch aufgefallen, daß der Wind heute von Süden kam?«
»Kaum«, antwortete Luke sofort. Über das Wetter zu reden war eine Art Reflex bei allen Bauern. »Ich habe den Wind kaum gespürt. Es war zu heiß.«
»Ja, und er hat auch gegen Mittag nachgelassen. Ich habe irgend etwas gespürt, und dann habe ich ein Glühwürmchen gesehen.«
»Aber es war doch Tag«, wandte Adrian ein.
»Und zu heiß«, fügte Luke hinzu. »Sie kommen erst heraus, wenn es kühler wird.«
Coulter nickte. »Wenn ich nachgedacht hätte, wäre mir das auch aufgefallen. Aber ich habe erst gemerkt, daß etwas nicht stimmt, als ich in der Dämmerung die echten Glühwürmchen gesehen habe.«
Adrians Magen grollte, aber nicht vor Hunger. »Ein Irrlichtfänger?«
»Ich wüßte nicht, was es sonst gewesen sein könnte. Es gibt sicher Arten von Fey, von denen ich noch nie etwas gehört habe, aber normalerweise verfügen zwei verschiedene Arten nicht über dieselbe Magie.« Coulter fuhr sich mit der Hand durch das blonde Haar. Er war großgewachsen, größer als jeder andere Inselbewohner, den Adrian kannte, schlank wie eine Gerte und ebenso stark wie Luke. Aber seine Haut war blaß, seine Augen hellblau und sein Gesicht rund. In seinen Adern floß kein Tropfen Fey-Blut. Sein Alter war der Beweis, und sein Körper bestätigte es. Nur die Magie, die er besaß, machte ihn so rätselhaft und den Fey so ähnlich.
»Bis jetzt haben alle Fey silberne Spuren hinterlassen«, fuhr Coulter fort. »Und die Energie hat sich verändert. Es ist, wie wenn an einem Sommertag plötzlich ein Sturm aufkommt. Es liegt etwas in der Luft. Spürt ihr es nicht?«
»Nein«, sagte Adrian. Verglichen mit Coulter kam er sich manchmal regelrecht blind vor.
»Außer Gabe und seinen Leibwächtern hat niemand das Schattenland verlassen«, fügte Coulter mit jenem unheimlichen Wissen über den Jungen, dem er das Leben gerettet hatte, hinzu. Adrian hatte keine Möglichkeit, diese Aussage zu überprüfen, aber er glaubte Coulter trotzdem.
»Wenn niemand das Schattenland verlassen hat, kann die rote Spur dort auch nicht von einem Fey stammen«, schloß Luke. »Glaubt ihr, daß ein Inselbewohner so etwas kann?«
Coulter schüttelte den Kopf. Wie so oft, wenn er etwas Wichtiges sagen wollte, sah er Adrian an. Ihre gemeinsame Zeit im Schattenland verband die beiden auf eine Weise, von der Luke ausgeschlossen blieb. Coulter dachte, daß Luke ihn nicht verstand, nicht verstehen konnte. Luke dagegen wollte Coulter oft nicht verstehen.
»Gabe kommt«, verkündete Coulter. »Mit einer Vision, die er nicht erklären kann und in der ein Fey auftaucht, den er noch nie gesehen hat. Die Energie hat sich verändert, und die Leuchtspur ist rot. Und statt wir beide sind hier drei.«
»Natürlich sind hier drei«, mischte sich Luke ein. »Du, ich und …«
»Pssst«, kam Coulter Adrian zuvor. »Es liegt alles an der Energie. Sie ist wie Verbindungen oder Spuren. Auch die Energie hält Dinge zusammen. Ich spüre es, so wie ihr das Sonnenlicht spürt.«
Adrians Griff um Lukes Schulter wurde fester. »Drei was?«
»Ich kann die Insel fühlen«, murmelte Coulter. »Ich bin immer dagewesen und jemand, der so ist wie ich.«
»Wer?« fragte Adrian gespannt.
Coulter zuckte die Achseln. Seine Schultern hoben und senkten sich vor dem Nachthimmel. »Ich weiß es nicht. Er ist weit, weit weg.«
»Und jetzt gibt es noch einen Dritten?« fragte Luke.
Coulter nickte. »Im Süden. Wo der Irrlichtfänger herkommt.«
»Und was hat das alles zu bedeuten?« wollte Luke wissen.
Adrian wußte es. Das war es, worüber die Fey dauernd redeten, woran sie die ganze Zeit
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