Fey 05: Der Schattenrpinz
einige Kerzen.
Sebastian beobachtete ihn vom Bett aus, unbewegt und sehr allein. »Bald?« fragte er.
»Sobald ich kann«, versicherte Nicholas.
Dann legte er die Zunderbüchse zurück und verließ den Raum.
Die Fackeln im Korridor brannten bereits. Nicholas fand ihr weiches Licht tröstlich. Sein Herz raste. So viel war heute schon geschehen.
Von all den Enthüllungen fühlte er sich ganz mitgenommen. Meldungen von angreifenden Fey im Süden, ein Fey im Palast, der Versuch, Sebastian zu entführen, Ariannas Fähigkeit, sich beliebig zu Verwandeln, Solandas Abschied und ein Sohn. Ein echter Sohn.
Und zu alledem jetzt noch ein Fey im Audienzzimmer.
Nicholas mußte sich konzentrieren. Er mußte klug sein. Er wußte, daß die Fey nie ohne Umschweife mit ihren Anliegen herausrückten. Sie griffen von allen Seiten zugleich an. Etwas ging hier vor, etwas Großes, etwas noch Unvorstellbares, und Nicholas wußte nicht, wie die Sache ausgehen würde.
Die Wachen, die er für Sebastian angefordert hatte, kamen die Treppe herauf. Nicholas nickte ihnen flüchtig zu und setzte seinen Weg fort.
Er hatte die Fey schon einmal zurückgeschlagen, damals, mit Jewels Hilfe. Wenn er das prekäre Gleichgewicht wahren wollte, in dem die Blaue Insel sich derzeit befand, durfte er sich die Zügel nicht aus der Hand nehmen lassen.
In der Vorhalle erklangen Stimmen. Offenbar waren die ersten Gäste schon eingetroffen. Nicholas lief den Korridor im zweiten Stock entlang, vorbei an den Porträts und den unbequemen Stühlen. Er benutzte lieber die Hintertreppe. Dieser Weg zum Audienzzimmer war zwar etwas länger, aber er hatte keine Lust, sich den neugierigen Fragen der Edelleute zu stellen.
Die fünf Wachen warteten bereits vor der Tür des Audienzzimmers. Auch ihnen nickte Nicholas zu. »Zwei von euch kommen mit mir«, sagte er. »Der Rest bleibt hier draußen.«
Die beiden Soldaten flankierten ihn, als er die Tür öffnete und nachsah, wer drinnen auf ihn wartete. Dann zog er die Tür wieder von außen zu, ohne einzutreten. »Wenn ich es recht bedenke, könnt ihr alle draußen bleiben«, befahl er. »Die anderen können die Horchposten wieder verlassen.«
Die Wachsoldaten warfen einander vielsagende Blicke zu. Zwei gingen los, um den Horchposten Bescheid zu sagen. Nicholas wartete, bis sie außer Sichtweite waren, bevor er hineinging.
Die Fey stand am hinteren Ende des Raumes am Fenster. Sie war sehr groß, sogar für eine Fey, und das weiße Haar umgab ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Die knotigen Hände faltete sie hinter dem Rücken. Als Nicholas die Tür schloß, drehte sie sich um.
»Werdet Ihr mich diesmal anhören, Jung-Nicholas?« fragte sie.
Noch nie hatte Nicholas beim Anblick eines Fey solche Erleichterung verspürt. Die Schamanin. Er betrachtete sie als seine Verbündete, obwohl er sich dessen nie ganz sicher war. Sie war zugleich mächtig und machtlos. Sie Sah Dinge, genau wie ein Anführer, und sie hatte auch in gewissem Sinne die Aufgabe, ihr Volk zu führen. Aber vor allem war sie eine Schallmuschel, die weise Frau der Fey.
Nicholas hatte sie schon erkannt, bevor er die Wachen wegschickte. Er wußte, daß ihm von ihr keine Gefahr drohte.
»Es tut mir leid. Der Page hat mir nur ausgerichtet, daß ein Fey mich zu sprechen wünsche. Er hat nicht gesagt, daß Ihr es seid.« Nicholas lächelte. »Ihr seid bis jetzt nie auf offiziellem Wege zu mir gekommen.«
»Ich habe bis jetzt auch nie daran gezweifelt, ob ich willkommen bin.« Sie hob den Kopf. »Eure Männer haben ihre Verstecke verlassen. Jetzt können wir reden.«
Nicholas hatte keine Ahnung, woher sie von den Horchposten wußte, aber es überraschte ihn nicht. Nichts, was diese Frau tat, überraschte ihn. »Ich habe Euch versprochen, daß Ihr hier immer willkommen seid.«
Die Schamanin nickte und lächelte flüchtig. Tiefe Falten durchzogen ihr Gesicht und machten es schwer, ihre Lippen zu erkennen. »Die Dinge zwischen uns werden sich ändern, Nicholas.«
»Zwischen mir und Euch?«
Die Alte schüttelte den Kopf. »Zwischen meinem Volk und dem Euren.«
»Wegen dem, was heute nachmittag vorgefallen ist?«
Ihre hellen Augen verdüsterten sich. »Also war Jung-Gabe hier.«
»Wußtet Ihr das nicht?«
»Ich weiß, daß er kommen wollte. Er hat es gesagt.«
»Er wollte Sebastian mitnehmen.«
»Er fürchtet um Sebastians Leben.« Die Schamanin faltete die Hände vor ihrem langen Gewand.
»Warum?«
»Ein Mann muß selbst entscheiden, ob er über seine
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