Fey 05: Der Schattenrpinz
geblieben.«
Nicholas holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Er mußte nachdenken. »Mein Sohn hat Visionen?«
»Euer Sohn ist ein großer Visionär. In unserer ganzen Überlieferung haben wir keinen Visionär, der in so jungen Jahren Gesehen hat.«
»Weiß er, daß ich sein Vater bin?«
Die Schamanin starrte Nicholas an. »Das kann ich nicht sagen. Wenn er wirklich Euren Stein-Sohn durch seine Verbindung geschaffen hat, würde ich annehmen, daß er es weiß. Aber die Inselbewohner sind ihm völlig fremd, Nicholas. Er kann nicht wie Eure Arianna in Eurer Welt glücklich sein.«
Nicholas’ Handflächen waren schweißnaß. Er wischte sie an seiner zeremoniellen Robe ab. »Was soll ich tun?«
»Ich habe nichts Gesehen. Gabe ist inzwischen eine eigenständige Person, ein erwachsener Mann, Nicholas. Mit Pflichten gegenüber seinem eigenen Volk. Er ist sein Anführer, und sein Volk wird ihn brauchen.«
»Er ist der älteste Sohn, der Thronerbe der Blauen Insel. Er ist ein Abkömmling unseres Roca. Unserem Gesetz zufolge, unserer Tradition und allem, was wir je gewesen sind, muß ich ihn zu meinem Nachfolger ernennen. Er wird eines Tages an meiner Stelle die Blaue Insel regieren müssen.«
»Wenn es die Blaue Insel dann noch gibt«, warnte die Schamanin. »Ihr wißt nicht, was noch alles geschieht, bevor Ihr sterbt.«
Nicholas’ Herz erstarrte zum Eisklumpen. »Was sagt Ihr da?«
»Nichts, was ich nicht auch schon vorher gesagt hätte. Ihr könnt nicht Sehen. Es liegt nicht in Eurer Macht. Ihr wißt nicht, was auf Euren Sohn zukommt.«
»Wißt Ihr es denn?«
»Zum Teil«, sagte sie. »Und ich habe Angst, Nicholas.«
Nicholas wandte den Kopf und blickte die Schamanin an. Bis jetzt hatte sie ihre Gefühle immer sorgfältig vor ihm verborgen. Er hätte niemals erwartet, daß auch sie Furcht empfand. Nicht die Schamanin der Fey, nicht die weise Frau. »Was Seht Ihr?« fragte er. Er hatte Angst vor der Antwort, aber er mußte die Frage stellen.
»Als Ihr Jewel geheiratet habt, habe ich Rugar erklärt, daß Ihr den Weg des Friedens gehen würdet. Ich sagte ihm, die Tage des Krieges seien vorüber und auch er solle aufhören zu kämpfen. Er hat nicht auf mich gehört, und so kamen die Dinge ins Rollen.«
»Was zum Beispiel?« fragte Nicholas.
»Ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde, Nicholas. Ich muß eine Entscheidung fällen, die mein innerstes Wesen betrifft. Wenn ich sterbe, werden Eure Kinder für sich selbst sorgen müssen. Keine leichte Aufgabe.«
»Geht bei den Fey etwas vor, von dem ich wissen sollte?«
»Rugad lebt«, antwortete die Schamanin. »Er will Euren Sohn.«
»Rugad? Rugars Vater? Jewels Großvater?« Nicholas runzelte die Stirn. »Es gibt Berichte, daß im Süden des Landes plötzlich Fey aufgetaucht sind. Ist das Rugad?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete die Schamanin. »Aber ich habe ihn auf der Insel Gesehen. Er wird alles ins Chaos stürzen.«
»Und Euch töten?«
Sie hob den Kopf. Ihr Blick ging in weite Ferne. »Vor dem Gesetz ist er dazu verpflichtet. Unsere Truppe hat versagt. Mein Volk duldet keine Versager.«
»Aber ihr hattet keine andere Wahl.«
»Trotzdem«, sagte sie.
»Und Ihr werdet ihn nicht daran hindern?« Nicholas konnte nicht begreifen, wie beiläufig die Fey Grausamkeit und Tod als Mittel akzeptierten, Probleme zu lösen.
Die Schamanin lächelte. »Ich bin Soldatin, Nicholas.«
»Ihr werdet für ihn sterben?«
»Ich sterbe für niemanden.«
»Ich werde Euch helfen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ihr habt Kinder. Kümmert Euch um sie.«
Nicholas verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Zum dritten Mal in seinem Leben bewegte er sich auf dünnem Eis. Eine falsche Bewegung, und er würde ertrinken.
»Wollt Ihr damit sagen, daß der Schwarze König an zwei Fronten kämpfen muß, wenn er die Blaue Insel betritt? Daß sein eigenes Volk und meines sich gegen ihn stellen werden?«
»Drei Fronten«, sagte die Schamanin leise. »Wenn Ihr Euch entschließt, Eure Kinder ins Spiel zu bringen.«
»Drei?« Nicholas blickte sie an. Sie sah älter aus als je zuvor. »Meine Kinder können nicht gegen ihn kämpfen. Ihr selbst habt mir erzählt, was passiert, wenn die Familie des Schwarzen Königs sich gegenseitig bekämpft.«
»Aber Ihr habt ein Kind, das nicht Euer Kind ist«, erklärte die Schamanin. »Euer Stein-Sohn besitzt nur scheinbar Schwarzes Blut. Damit habt Ihr ein Werkzeug, um gegen den Schwarzen König zu kämpfen, ohne das Blut
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