Fey 05: Der Schattenrpinz
Schamanin schob ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Du bist schon seit dem Moment, in dem du geboren wurdest, wichtig gewesen, Kind. Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen.«
Sie nickte Arianna noch einmal zu, dann schritt sie den Korridor entlang. Arianna ließ sie gehen. Dann zog sie die Haarsträhne eigensinnig wieder hinter dem Ohr hervor.
Sie wollte nicht wichtig sein. Sie wollte keine Verantwortung tragen. Aber das interessierte ja niemanden. Und sie konnte nichts, aber auch gar nichts daran ändern. Arianna seufzte und schlüpfte durch die Tür neben der Horchnische. Ihr Vater saß auf einem der hochlehnigen Stühle, die Beine ausgestreckt und die Füße gekreuzt. Er schien sie nicht zu hören.
»Papa?« sagte sie.
Ihr Vater sah auf. Sein Gesicht war bleich, die Augen fast farblos gegen die noch blassere Haut. »Du hast gehorcht«, stellte er ohne jeden Vorwurf fest.
»Nicht die ganze Zeit.«
Er nickte. »Ich bin nicht stark genug für all das, Ari. Jetzt habe ich alles verloren. Mein Land, meinen Vater. Meine Frau. Und sogar meinen Sohn haben sie mir gestohlen.«
»Aber du hast doch Sebastian.«
»Ja. Und jetzt, wo ich ihn endlich akzeptiert habe, stehlen sie mir den Sohn zum zweiten Mal, indem sie mir erzählen, daß er gar nicht mein Sohn ist, nicht einmal ein richtiger Mensch.«
Arianna trat einen Schritt auf ihren Vater zu. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Er sah geschlagen aus. Auf dem kleinen, gestickten Teppich machte sie halt. »Aber du liebst ihn doch noch, oder?« Ihr Herz hämmerte. Aus irgendeinem Grund war ihr diese Frage außerordentlich wichtig.
»Ich liebe ihn noch«, antwortete Nicholas, »aber ich kann ihn nicht zum König machen. In der Vorhalle warten Dutzende von Edelleuten auf eine Zeremonie, die nicht stattfinden wird.«
Arianna packte seinen Arm. »Und was ist mit mir?« fragte sie, selbst nicht ganz sicher, was sie eigentlich damit meinte.
Ihr Vater schloß die Augen und wiegte den Kopf verneinend hin und her. »Du kannst nicht regieren, Schatz. Selbst wenn du es wolltest. Du bist nicht nur die Zweitgeborene, du bist auch noch eine Frau. Das würde mein Volk nie akzeptieren.«
»Du willst doch nicht etwa diesen Fey zum König machen.« Arianna verstärkte ihren Griff um Nicholas’ Arm. »Das kannst du nicht tun.«
»Mir bleibt wohl nichts anderes übrig«, murmelte Nicholas.
»Dann ändere die Gesetze«, verlangte Arianna. »Das tust du doch sonst auch. Du hast eine Fey geheiratet. Du hast die Rocaanisten aus dem Palast geworfen. Also kannst du auch Sebastian zum König machen.«
»Nein«, erwiderte ihr Vater. »Er war nie für dieses Amt geeignet. Du hättest ihm sein Leben lang helfen müssen.«
Arianna starrte ihren Vater an. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und seine Wangen waren eingefallen. Feine Falten umgaben seinen Mund. So alt hatte er noch nie ausgesehen.
»Du willst, daß ich an seine Stelle trete!« platzte Arianna heraus. »Daß ich Sebastians Geburtsrecht übernehme.«
»Es ist nicht Sebastians«, widersprach ihr Vater. »Es gehört Gabe.«
Arianna sah sich um. Im Zimmer war es ganz still. Abgesehen von den Horchposten war der Raum schalldicht. Der ganze Palast konnte um sie herum in Stücke fallen, und sie würden nichts davon bemerken.
»Wenn ich mich bereit erklären würde, Gabes Platz einzunehmen«, erkundigte sich Arianna vorsichtig, »würdest du dann das Gesetz ändern? Würdest du mich nach deinem Tod zur Regentin machen?«
Nicholas blickte auf und betrachtete seine Tochter. Seine Augen waren trüb und blutunterlaufen. »Weißt du überhaupt, was das bedeutet?«
Arianna schüttelte den Kopf.
»Für die Inselbewohner bist du eine Fey. Du müßtest sie davon überzeugen, daß du die Fey haßt. Wenn du das geschafft hättest, müßtest du ihnen beweisen, daß du regieren kannst. Du könntest nie heiraten, weil sie sofort verlangen würden, daß dein Ehemann an deiner Stelle regiert. Und Kinder könntest du auch nie haben, weil das ohne Ehe verboten ist.«
»Damit würde die fortlaufende Erbfolge unterbrochen.«
Ihr Vater nickte. »Außer wenn Gabe Kinder hätte. Dann müßtest du ihnen die Herrschaft abtreten.«
»Und wenn ich Kinder bekäme, ohne zu heiraten?«
»Alles Ungewöhnliche, was du tust, müßtest du verteidigen, notfalls sogar mit Waffengewalt. Die Leute würden dir immer vorwerfen, daß du eine Fey bist, daß du mit den Fey im Bunde stehst, daß du ihr Dämonenblut auf der Blauen Insel verbreitest.«
»Die
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