Fey 05: Der Schattenrpinz
…«
»Laß mich ausreden«, unterbrach ihn Arianna. »Wenn wir zulassen, daß mein richtiger Bruder die Regierung übernimmt, können wir die Insel gleich den Fey ausliefern, und alles, wofür du und meine Mutter gekämpft und gelitten haben, war umsonst.«
»Das wissen wir nicht«, wiederholte ihr Vater. »Wir wissen nicht, was für ein Mensch dein Bruder ist. Vielleicht ist er deiner Mutter ähnlich.«
»Oder ihrem Vater.«
Ariannas Worte standen zwischen ihnen. Schließlich schüttelte ihr Vater den Kopf.
»Es tut mir leid, Arianna«, sagte er. »Ich kann nicht tun, was du möchtest. Allzuviel hängt von dieser Entscheidung ab. Ich muß erst herausfinden, was für ein Mensch dein Bruder ist.«
»Vielleicht führt er dich an der Nase herum.«
Ihr Vater lächelte. »Mich kann man nicht so leicht an der Nase herumführen, Arianna.«
»Aber Mutters Tod …«
»War meine Schuld. Ich kannte Matthias. Ich wußte, wozu er fähig war.«
Arianna schluckte. Jetzt war der Augenblick gekommen, ihm zu gestehen, was sie getan hatte. »Die Schamanin sagt, der Schwarze König wird kommen. Was sollen wir tun, wenn sie recht hat? Und wenn er versucht, dich zu ermorden? Wer wird dann die Insel regieren? Sebastian? Dieser Gabe? Oder ich?«
»Er kann mich nicht töten, Arianna. Ich bin mit ihm verwandt.«
»Aber nicht durch Blutsbande«, wandte Arianna ein. »Wir kennen nicht alle Regeln. Und Solanda ist weg.«
Ihr Vater fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Hast du dich vergewissert?«
»Ich bin in ihr Zimmer gegangen. Ihre Sachen sind fort.«
»Wir haben sie tief verletzt«, sagte ihr Vater. »Sie hat eine Menge für dich aufgegeben.«
»Sie hat heute nachmittag versucht, mich zu töten.«
»Sie hat versucht, dich zu retten, uns alle zu retten.«
»Sie hat uns angelogen.«
»Ja«, stimmte er zu. »Das hat sie.«
Ariannas Hand ruhte noch immer auf seinem Rücken. Er hatte Solanda gehen lassen. Er hätte sie zurückhalten können, aber er hatte es nicht getan. Er war genauso wütend auf sie wie Arianna.
Sie schluckte wieder. »Ich will damit sagen, daß wir keine Wahl mehr haben. Und auf die Hilfe der Fey können wir uns nicht verlassen. Sogar die Schamanin hat gesagt, daß sie gehen muß. Wir sind auf uns selbst angewiesen. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß sie dich am Leben lassen, wenn sie einen der Ihren auf den Thron setzen können.«
»Auch du bist eine halbe Fey, Arianna. Es geht nicht um ›einen der Ihren‹. Auch du gehörst zu ihnen.«
»Ich kenne sie nicht«, murmelte Arianna. »Ich kenne nur die Insel.«
»Und die noch nicht einmal ganz«, sagte ihr Vater. »Ich habe dich zu sehr beschützt.«
»Du bist mir noch eine Antwort schuldig«, rief ihm Arianna in Erinnerung. »Was passiert, wenn du stirbst?«
Nicholas fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Der Ruß blieb an seinen Fingern hängen. »Ich weiß es nicht«, seufzte er.
»Wenn du es nicht weißt, stürzt du das ganze Land ins Chaos. Und wenn du Sebastians Mündigkeitszeremonie absagst, werden die Leute mißtrauisch werden. Du hast keine Wahl, Papa. Du mußt mich als Thronerbin einsetzen.«
»Doch, ich habe eine Wahl, Ari«, widersprach Nicholas. »Ich habe nur zu wenig Zeit zum Nachdenken. Heute habe ich zum ersten Mal von der Existenz deines richtigen Bruders erfahren. Ich kann noch keine Entscheidung treffen.«
»Ich dachte, du bist so stolz auf deine Entschlußfreudigkeit.«
»Das bin ich auch. Aber diesmal brauche ich Zeit, um mich zu entscheiden. Ich muß alle Tatsachen in Betracht ziehen, bevor ich handle.«
»Ich hoffe, du hast recht«, erwiderte Arianna.
Es klopfte. Arianna zuckte zusammen. Niemand wagte es, an die Tür des Audienzzimmers zu klopfen.
Ihr Vater hob den Kopf, wischte sich die Finger an der Stuhllehne ab und legte Arianna die Hand auf die Schulter. »Herein«, rief er.
Die Tür öffnete sich. Lord Stowe verharrte in gebeugter Haltung. Er war altmodisch gekleidet. Sein langes zeremonielles Gewand war eng um die Taille gegürtet. Das Haar hatte er zurückgebunden, und während er sich verbeugte, sah man seinen immer breiter werdenden Scheitel. »Verzeiht, Sire. Man sagte mir, Eure Audienz sei vorüber.«
»Das ist richtig, Stowe«, erwiderte ihr Vater.
»Eure Gäste sind eingetroffen. Sie warten auf den Beginn der Zeremonie.«
Etwas flackerte in Nicholas’ Augen auf und erlosch wieder. Er wandte sich an Arianna. »Hol deinen Bruder«, befahl er. »Sebastian. Bring ihn her.«
»Aber …«
»Und sieh
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