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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sich so ausführlich wie möglich mit der Inselreligion beschäftigt. Wissen war eine Art Schutz. Es konnte ihn retten.
    Das hatte er jedenfalls immer geglaubt.
    Aber Gabe war nicht einfach nur zur Hälfte gewöhnlicher Inselbewohner. In seinen Adern floß das Blut ihres Religionsführers. Das Blut des Gründers der Religion, jenes Mannes, den seine Anhänger den Roca nannten. Seit Jahrhunderten stammte die königliche Familie in ungebrochener Linie von diesem Mann ab. Der Anteil vom Blut des Roca in Gabes Adern konnte zwar nicht mehr übermäßig groß sein, aber jeder Fey wußte, daß das Blut zu seinem Träger sprach.
    »Vielleicht hat er eine religiöse Vision«, überlegte Fledderer.
    »Genau«, erwiderte Leen, als hätte Fledderer ihr damit recht gegeben. Dabei dachte er bloß laut nach.
    »Oder es ist eine Warnung«, fuhr Fledderer fort.
    »Eine Warnung?«
    »Diese Höhle ist nicht bewacht. Warum ist in der ganzen Zeit niemand hier gewesen? Weil sie wußten, was sich darin befindet?«
    Fledderer betrachtete die unangetasteten Schätze an den Wänden. Hätten Fey diesen Ort entdeckt, hätten sie ihn bestimmt geplündert. Sie hätten die Edelsteine ins Imperium geschickt, die Schwerter als Waffen benutzt und die Kelche eingeschmolzen.
    Aber die Inselbewohner hielten die Symbole ihrer Religion hoch in Ehren. Sogar Leute, die an der Religion zweifelten, respektierten die Gläubigen. Derartige Objekte zu stehlen mochte ein Tabu sein, das niemand zu brechen wagte.
    »Ich verstehe das nicht«, sprach Gabe jetzt wieder. »Warum hat mir das noch nie jemand erklärt?«
    Es klang wie eine ganz vernünftige Unterhaltung. Fledderers Nackenhaare sträubten sich. Was sollte er tun? Obwohl er sich mit sämtlichen Zauberpraktiken der Fey beschäftigt hatte, war dies das erste Mal, daß er eine Situation nicht einschätzen konnte. Er war sich nicht sicher, ob er sich ohne nachteilige Folgen für Gabe einmischen durfte, aber er wußte auch nicht, ob es dem Jungen vielleicht genausoviel Schaden zufügte, wenn er ihn dem Bann einer unbekannten Macht überließ.
    Fledderer haßte diesen Zwiespalt.
    »Vielleicht sollte einer von uns Coulter holen«, schlug Leen vor.
    »Was könnte Coulter schon tun?« fragte Fledderer. Er hatte den Blick nicht von Gabe gewandt. Gabe ließ den Arm sinken und runzelte die Stirn, als höre er jemandem intensiv zu – jemandem, der direkt vor ihm stand.
    »Coulter besitzt Inselmagie. Vielleicht weiß er …«
    »Coulter weiß auch nicht mehr als ich. Er wurde als kleiner Junge von den Fey aufgezogen, und danach haben Adrian und ich ihn unterrichtet. Alle seine magischen Fähigkeiten hat er sich von den Fey abgeschaut.«
    »Wenn das stimmt«, sagte Leen leise, »dann müßtest auch du Zauberkraft besitzen. Aber auf dieser Insel gibt es wilde Magie. Das weißt du genausogut wie ich.«
    Fledderer wußte das nur zu gut. Er gab es nur nicht gerne zu, denn dieses Eingeständnis bedeutete zweierlei: erstens, daß er selbst niemals in den Besitz eigener Magie gelangen würde, und zweitens, daß es dort draußen ein ganzes magisches System gab, das er nicht begriff – das vielleicht niemand begriff.
    So gern Fledderer auch vorgab, er habe sich damit abgefunden, niemals eigene Zauberkraft zu besitzen – akzeptiert hatte er diese Tatsache nie. Er hoffte immer noch, irgendwann magische Fähigkeiten zu erwerben, und Coulters Beispiel hatte ihn wieder Hoffnung schöpfen lassen. Wenn ein Inseljunge es schaffte, warum dann nicht auch Fledderer?
    Einerseits wußte er, daß es sich dabei um reines Wunschdenken handelte. Andererseits war ihm das egal.
    Aber die zweite Konsequenz beunruhigte ihn wirklich.
    Fledderer hatte Jahrzehnte gebraucht, um alles über die Magie der Fey zu lernen. In den Händen Unerfahrener konnte diese Magie tödliche Folgen haben, jedenfalls wußte man nie genau, wie sie wirken würde.
    Wilde Magie oder ein magisches System, das niemand begriff – das bedeutete, daß dieses System durch seine bloße Existenz eine Gefahr darstellte.
    »Vielleicht sollten wir Gabe so lange schütteln, bis er aufwacht«, schlug Fledderer vor. Er ließ Leens Arm los. Sie blickte ihn unsicher an.
    Dann streckte sie vorsichtig die Hand nach Gabe aus und berührte ihn.
    Gabe fuhr herum und funkelte Leen so wütend an, daß Fledderers Hand unwillkürlich nach dem Messer griff.
    »Mit mir ist alles in Ordnung«, fauchte Gabe. »Laßt mich in Ruhe.«
    »Aber…«, begann Fledderer.
    »Davon verstehst du nichts«, fuhr

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