Fey 07: Die Augen des Roca
paßt nicht besonders gut.«
»Ich konnte diesen Ort sehen und Coulter auch. Er ist kein Fey«, wandte Gabe ein.
»Aber er verfügt über Zauberkraft«, sagte die Frau. »Er ist jedem zaubermächtigen Fey ebenbürtig.«
»Und ich nehme an, du weißt auch, warum das so ist«, fauchte Gabe. »Aber wahrscheinlich darfst du es wieder einmal nicht verraten.«
Sie antwortete nicht, sah ihn nur an. »Ich bin für dich da, Gabe«, erwiderte sie schließlich. »Nur für dich.«
»Aber ich dachte, du kannst auch denen helfen, die du am meisten liebst und am meisten haßt.«
»Ich habe gesagt, wir können ihnen erscheinen«, erläuterte sie. »Von Hilfe habe ich nichts gesagt. Ich habe mich dafür entschieden, dir zu helfen. Ich hatte verschiedene Möglichkeiten. Ich hätte mir aussuchen können, jemanden an etwas zu hindern. Ich hätte mir aussuchen können, jemanden zu beobachten.«
»Warum hast du dann bis heute damit gewartet, mir zu helfen?« fragte Gabe.
»Ich habe nicht gewartet«, betonte sie.
Gabe verzog das Gesicht. Erst überzeugte sie ihn beinahe, und dann behauptete sie wieder das Gegenteil. Aber wie konnte ein Mensch, oder der Schatten eines Menschen, beweisen, daß er ein Mysterium war? Gabe wußte es nicht. Keine Ausbildung hatte ihn auf diese Frage vorbereitet.
Er wußte so wenig über die Inselbewohner. Das meiste hatte er von Sebastian gelernt, und der war nicht gerade ein heller Kopf gewesen. Außerdem konnte Gabe die Verbindung zu Sebastian nicht länger benutzen. Er konnte Sebastian noch nicht einmal mehr bitten, über die Verbindung zu ihm zu kommen.
Adrian mußte bald hier sein. Obwohl Adrian die Religion der Inselbewohner nicht praktizierte, war er doch mit ihr aufgewachsen und wußte mehr darüber als Sebastian.
Gabe würde sich sein endgültiges Urteil über diese Erscheinung in Frauengestalt bis zu Adrians Eintreffen vorbehalten. Er würde abwarten, ob Adrian sie sehen konnte. Adrian würde seine Testperson sein. Er war zwar ein Inselbewohner, aber ihm fehlte Zauberkraft.
Mit Adrians Hilfe würde Gabe die Wahrheit herausfinden.
Die Frau musterte ihn. Gabe fragte sich, ob sie wohl seine Gedanken lesen konnte. Wahrscheinlich nicht, aber er war sich nicht sicher.
»Du verstehst nicht, warum ich mich einmische, nicht wahr?« sagte sie schließlich angesichts seines beharrlichen Schweigens. »Ich habe dir geholfen, das Schattenland wieder aufzubauen. Glaubst du etwa, du hättest in einem Augenblick gelernt, wozu die meisten Visionäre Jahre brauchen?«
»Ich erinnere mich nicht an dich«, beharrte Gabe. »Ich war damals allein.«
»Und wer, glaubst du, hat dich aus dem Schattenland herausgeholt, bevor dein Urgroßvater es überfiel? Du wärst mit umgekommen, als er alle Versager abschlachten ließ.«
»Ich dachte, Schwarzes Blut darf Schwarzes Blut nicht töten.«
»Das stimmt«, bestätigte seine Mutter. »Aber manchmal passieren Unfälle. Außerdem ist dein Urgroßvater nicht zusammen mit seinen Truppen ins Schattenland gezogen. Seine Hände wären unbefleckt geblieben.«
»Man sagt, er sei wegen mir gekommen.«
»Er hätte dich getötet, wenn ich dich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hätte.«
Jetzt endlich wußte Gabe, daß sie log. Er hatte zwei Visionen gehabt. Zwei so deutliche Visionen, daß er das Schattenland sofort verlassen hatte. Er sah sie immer noch ganz klar vor sich:
In der ersten Vision stand er vor einem Fey, den er noch nie gesehen hatte. Sie befanden sich in einem großen Raum, offenbar im Palast der Inselbewohner. Außer ihnen waren dort eine Menge Feywachen versammelt. An den Wänden hingen Speere, und auf einem Podest stand ein Thron, auf dem jedoch niemand saß. An der Wand hinter dem Thron prangte ein Wappen: zwei Schwerter, die sich über einem Herzen kreuzten.
Gabe war noch nie an diesem Ort gewesen, aber das Wappen erkannte er. Es gehörte der Familie seines Vaters.
Der fremde Fey besaß die wettergegerbte Haut eines Soldaten. Seine Augen waren dunkel und leer, seine Hände vom Alter verkrümmt. Er glich Gabes längst verstorbenem Großvater. Er starrte Gabe mit funkelnden Augen und ausgestreckten Händen an, als sei Gabe ein Wunderwesen, eine Art religiöse Sehenswürdigkeit.
Dann fühlte Gabe einen scharfen Schmerz im Rücken. Der Fey schrie auf … seine Worte verschwammen ebenso wie sein Gesicht und der gesamte Raum … und dann löste sich die ganze Vision in Dunkelheit auf.
Die zweite Vision hatte Gabe noch mehr verstört, obwohl sie
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