Fey 07: Die Augen des Roca
verlassen«, entgegnete Adrian. »Die Visionen zeigen dich zusammen mit Gabe. Ich komme zu euch. Ich möchte nur erst herausfinden, was hier los ist.«
Coulter schluckte so heftig, daß sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. Fledderer hieb seinen Pickel in den Stein und packte dann Coulters Arm.
»Los«, flüsterte er.
»Ich schaffe das schon«, versicherte Adrian.
Coulter nickte. Er hatte begriffen. Es gefiel ihm zwar nicht, aber er hatte begriffen.
Adrian hatte keine Sekunde daran gezweifelt. Coulter liebte Adrian wie seinen eigenen Vater, aber er war mit Gabe Verbunden. Wenn Gabe starb, starb auch Coulter und umgekehrt. Es machte beide zu zwei Teilen eines Ganzen.
Fledderer berührte Coulter leicht am Arm. Wie vereinbart schulterten sie ihre Pickel und ließen sie an einem abgelegenen Platz zurück. Dann machten sie sich zwischen den Felsblöcken aus dem Staub. Adrian war dabeigewesen, als sie die Fluchtroute festgelegt hatten. Es würde einige Zeit dauern, bis sie den Steinbruch verlassen hatten.
Sie hatten die Route für den Fall geplant, daß plötzlich Fey auftauchten. Adrian hatte angenommen, daß der Schwarze König nur wenige Tage, höchstens eine Woche brauchen würde, um bis in diese nordöstliche Ecke der Insel vorzudringen. Bis jetzt war jedoch kein einziger Fey gesichtet worden. Vielleicht war die Wunde des Schwarzen Königs, die Gabe Gesehen hatte, tödlich gewesen, und die Nachricht war noch nicht bis in diese abgelegene Region gelangt.
Adrian hatte den Gedanken kaum erwogen, da wußte er auch schon, daß er falsch war. Der Schwarze König würde nicht sterben. Noch nicht. Nicht ohne die Person in seine Gewalt zu bringen, um derentwillen er hergekommen war.
Nicht ohne Gabe.
Adrian hieb den Pickel in den Stein. Er war entschlossen, so lange zu arbeiten, bis er sicher war, daß Coulter und Fledderer den Steinbruch verlassen hatten. Seine Rückenmuskulatur und seine Arme schmerzten. Jeder Schlag auf den Stein erschütterte seinen Körper so heftig, als habe der Pickel ihn selbst getroffen. Sein Mund war ausgedörrt, und er hatte Angst.
Er wußte, daß der Mann, der mit dem Eigentümer sprach, wegen Gabe und Leen gekommen war.
Er wußte es genau. Er hätte die beiden niemals bitten sollen, auf den Markt zu gehen. Er wußte es, seit man die beiden im Steinbruch abgewiesen hatte, als sie um Arbeit fragten. Aber die Gruppe hatte nur noch wenig Lebensmittel, und Adrian wollte nicht, daß Fledderer weiterhin stahl. Sie mußten verhindern, daß nicht nur die Fey, sondern auch die Inselbewohner hinter ihnen her waren.
Aber hier waren keine Fey. Nicht ein einziger, außer Fledderer, Gabe und Leen. Wäre da nicht die sonderbare Reaktion auf Gabes und Leens Körpergröße gewesen, hätten auch sie im Steinbruch arbeiten können.
Was sagte Fledderer immer? Körpergröße und Zauberkraft gehören zusammen.
Abgesehen von Coulter. Coulter war nicht besonders groß.
»Augenblick mal«, vernahm Adrian plötzlich eine Stimme hinter sich. »Mach mal ’ne Sekunde Pause.«
Adrian ließ den Pickel sinken und umklammerte ihn, während er sich umdrehte und einen ruhigen Eindruck zu machen versuchte. Hinter ihm stand der Besitzer. Der Besitzer und der Besucher, mit dem er sich vorhin unterhalten hatte.
Der Besitzer war ein älterer Mann, dessen Gesicht so glatt war wie die Oberfläche der Steine. Seine Augen waren dunkelgrau, der Mund nur ein schmaler Strich. In den wenigen Tagen, die Adrian jetzt für ihn arbeitete, hatte er den Mann noch kein einziges Mal lächeln sehen.
Der Besucher sah ganz anders aus. Er war schlank und leicht gebeugt, als ruhte das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, Sorgenfalten, wie sie Adrians Frau immer genannt hatte. Nur seine Augen hatten einen anderen Ausdruck. Sie blickten so kalt und hart wie die Berge.
»Wo sind deine Kameraden?« fragte der Besitzer.
Adrian schüttelte den Kopf. »Die sind heute morgen nicht aufgetaucht.«
Der Besitzer verschränkte die Arme vor der Brust. »Der Vorarbeiter hat gesagt, sie hätten ihre markierten Plätze verlassen.«
Der Besitzer hatte ein einfaches System, um den Lohn festzulegen. Morgens wurde eine Markierung angebracht, die man abends umsetzte. War der Arbeiter bei seiner Markierung angekommen, so erhielt er ein paar Münzen für seine Arbeit. Nur eine bestimmte Anzahl von Markierungen wurde ausgegeben. Waren genügend Arbeiter da, wurden alle anderen Arbeitssuchenden
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