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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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straffte sich. Er wußte, wer das war. Bestimmt einer der Weisen, der sich fragte, was Matthias wieder in Constantia zu suchen hatte. Aber hinter dem vermeintlichen Interesse verbarg sich der Wunsch, Matthias möge schleunigst wieder verschwinden.
    Sie haßten seinen Anblick. Sie haßten seine Nähe. Er erinnerte sie ständig daran, daß ihre Taktik manchmal versagte und daß Mitleid über Furcht siegte.
    Matthias packte den Knauf und riß die Tür auf.
    Tri, sein Nachbar, stand vor ihm, die breiten Schultern in einen Umhang gehüllt. Das rote Haar floß ihm offen über den Rücken.
    »Na, haben sie diesmal dich vorgeschickt?« fragte Matthias spöttisch. Tri war erst letztes Jahr in den Kreis der Weisen aufgenommen worden. Zuerst war Matthias erschrocken gewesen, nunmehr Tür an Tür mit einem Weisen zu wohnen. Aber dann hatte er gemerkt, daß Tri sein Amt anders auffaßte, daß er nicht an die alten Lehren glaubte und frischen Wind in die Ratsversammlung brachte. Zwar hatte auch das Matthias beunruhigt – er hatte die Erfahrung gemacht, daß die alten Sitten manchmal sinnvoll waren –, doch es hatte ihn andererseits auch erleichtert. Tri würde Matthias nicht schikanieren, jedenfalls nicht so wie die anderen.
    Jetzt starrte Tri ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Matthias widerstand dem Drang, sein verwüstetes Gesicht mit der Hand zu bedecken.
    »Was ist denn mit dir passiert?« fragte Tri.
    Matthias schüttelte den Kopf. »Ist ’ne lange Geschichte«, wich er aus. Er hatte jetzt keine Lust, darüber zu reden. »Sag schon, was sie von mir wollen, und bring es hinter dich.«
    »Sie haben mich nicht geschickt«, erklärte Tri, »aber ich muß trotzdem mit dir sprechen. Darf ich hereinkommen?«
    Darum hatte Tri noch nie gebeten. Matthias runzelte die Stirn und zuckte vor Schmerz zusammen, aber er trat beiseite und hielt Tri die Tür auf. Bevor Tri ins Haus schlüpfte, warf er einen Blick über die Schulter. Auch Matthias warf einen Blick auf die Straße. Sie war sonnenbeschienen und leer. Die benachbarten Häuser dösten in mittäglicher Stille. Wenn jemand sie beobachtete, dann heimlich.
    Matthias schloß die Tür hinter sich. Marly erschien in der Diele. »Alles in Ordnung?« fragte sie.
    Bei ihrem Anblick weiteten sich Tris Augen. Fragend blickte er Matthias an. Matthias beachtete ihn nicht.
    »Ja«, sagte er. »Tri ist mein Nachbar. Kannst du uns einen Moment allein lassen, Marly?«
    Sie seufzte, aber sie verschwand. Sie fühlte sich als Matthias’ Beschützerin, und er stellte fest, daß es ihm gefiel.
    Noch nie hatte ihn jemand beschützt.
    Er führte Tri zu dem Tisch, an dem er noch vor wenigen Minuten mit Marly gesessen hatte. Ihre Umschläge und Heilsalben lagen noch auf der Tischplatte verstreut. Das Zimmer roch schwach nach Kräutern und verbranntem Haar.
    »Ist sie eine Heilerin?« fragte Tri.
    »Unter anderem«, gab Matthias, der nicht willens war, Fragen über seine Gefährten zu beantworten, zurück.
    »Sie sieht aus, als wäre sie hier geboren, aber sie spricht nicht so.«
    »Ist sie auch nicht«, erwiderte Matthias. Er schob mit dem Fuß einen Stuhl heran und forderte Tri mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen.
    Tri schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Umhang öffnete sich ein bißchen und ließ das traditionelle Gewand der Klippler sehen: Pullover, grobe Kniebundhosen und Stiefel. »Ich bin hier, um dir ein paar Fragen zu stellen und dich zu warnen«, verkündete er.
    Zorn wallte in Matthias auf. In dem Versuch, sich und seine Stimme unter Kontrolle zu bringen, stützte er sich auf den Tisch. »Hast du nicht eben gesagt, daß sie dich nicht geschickt haben?«
    »Das stimmt auch«, bestätigte Tri. »Aber ich komme gerade aus der Versammlung. Ich habe mich so schnell davongeschlichen, wie ich konnte. Ich weiß, daß du gestern abend in die Stadt gegangen bist. Frühmorgens, als der Markt öffnete, wurden dort zwei großgewachsene Fremde gesehen und vertrieben.«
    Solche Vorkommnisse gab es in Constantia dauernd. Die Einwohner hatten panische Angst vor Fremden. Nachdem Matthias den Tabernakel verlassen hatte, hatte er sich nur hierher zurückziehen können, weil man sich von früher her an ihn erinnerte. Er hatte erwogen, auch die Bande hierherzubringen, aber von allen Leuten, die er kannte, konnten diese noch am ehesten für sich selbst sorgen.
    »Und da hast du geglaubt, es wären meine Leute gewesen?«
    »Du bist nicht allein gekommen«, erwiderte Tri.

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