Fey 07: Die Augen des Roca
»Und deine Frau ist groß.«
»Sie war die ganze Zeit hier.« Dann hob Matthias die Hand ans Gesicht. Die anderen hatten noch geschlafen. »Bist du sicher, daß es morgens war?«
»Ja. Der Markt beginnt, bevor die Sonne über die Berge kommt.«
Matthias drehte sich der Magen um. »Und wie sahen diese großen Fremden aus?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Tri. »Ich habe sie ja nicht gesehen. Aber die Frau, die davon berichtet hat, sagt, sie waren groß, dünn und dunkel.«
»Dunkel«, flüsterte Matthias. Er blinzelte und versuchte nachzudenken. Sein Herz pochte heftig. »Wie dunkel?«
»Keine Ahnung«, entgegnete Tri. Er klang jetzt verwirrt. »Was geht hier vor, Matthias?«
»Hast du schon einmal einen Fey gesehen?« fragte Matthias.
Tri schüttelte den Kopf. »Ich habe dich nur von ihnen erzählen hören. In all den Jahren, die sie nun schon auf der Insel sind, haben sie noch keinen Schritt in diese abgelegene Gegend getan.«
»Sie sind auch nie zuvor in solch großer Zahl auf der Insel gewesen wie jetzt«, erwiderte Matthias und klammerte sich an die Tischkante. »Und diese Beschreibung trifft zu? Groß, dünn und dunkel?«
»So sicher ich eben sein kann, ohne sie selbst gesehen zu haben«, erwiderte Tri. »Und ich glaube nicht, daß du mit der Augenzeugin sprechen kannst. Sie gehört zu den Weisen.«
»Du hast geglaubt, es wären meine Leute. Du bist gekommen, um mich zu warnen.« Matthias’ Gesicht begann zu jucken. Er packte die Tischkante noch fester. »Was werden deine ›Weisen‹ mit diesen Großen machen?«
»Sie aus der Stadt werfen, wenn es geht.«
»Und wenn nicht?«
»Du weißt, welche Lösung die Weisen für solche Fälle parat haben.«
Matthias überlief ein Schauder. Er wußte es nur zu gut. »Du wolltest mich davor warnen, daß man meine Freunde töten wird, wenn sie bleiben.«
»Und ich wollte dir meine Hilfe anbieten«, fügte Tri hinzu. Kaum hatte er gesprochen, biß er sich auf die Unterlippe und verstummte.
»Warum sollte einer der Weisen mir helfen wollen?«
»Ich bin kein Weiser mehr«, murmelte Tri. »Sie haben mich hinausgeworfen.«
»Heute morgen?« Matthias starrte Tri ungläubig an. Das war unmöglich. In all den Jahren, seit Matthias die Weisen kannte, war so etwas noch nie vorgekommen. »Ein hübscher Scherz, mein Freund, aber den Weisen kann man nur durch den Tod entrinnen.«
»Oder durch Ausschluß«, erwiderte Tri. »Ich wurde ausgeschlossen.«
»Warum? Hast du Zweifel an ihrer Weisheit geäußert?«
»Ich habe mein Varin mit dir geteilt«, gab Tri zurück.
Das Blut wich aus Matthias’ Gesicht. Das Jucken wurde schlimmer. »Woher wußten sie das?«
»Ich habe es ihnen erzählt.«
»Du hast es ihnen erzählt?« Matthias’ Stimme wurde lauter. Er hörte Marly im Nebenzimmer rascheln. »Erzählt? Warum?«
»Weil sie sich irren. Sie haben die großen Fremden gesehen und sind sofort in Panik geraten. Genau wegen solcher Vorfälle bin ich den Weisen beigetreten, Matthias. Ich wollte verhindern, daß Unschuldigen etwas zustößt.«
»Du weißt doch gar nicht, wer diese Großen sind«, wandte Matthias ein. »Wenn es Fey sind, sind nicht sie, sondern Constantia in Gefahr.«
»Und was, wenn nicht?« gab Tri zurück. »Dann billigen wir den Tod Unschuldiger, nur weil sie anders aussehen als wir? Dann müßtest auch du sterben, Matthias. Du und die hübsche Frau im Nebenzimmer. Das willst du doch bestimmt nicht.«
»Aber ich will auch nicht, daß du dafür bezahlen mußt, daß du mir hilfst«, erwiderte Matthias.
»Ich muß für gar nichts bezahlen. Es ist besser für mich, die Weisen zu verlassen. Es hat mir nie behagt, einer von ihnen zu sein. Ihr Verfolgungswahn ist heimtückisch. Er hat mich verändert, mich verführt. Ich wollte nicht mehr dazugehören.«
Matthias verstand. Tri beschrieb zwar nicht ganz die Gefühle, die Matthias selbst gegenüber dem Tabernakel hegte – wahre Gläubige wie den Fünfzigsten Rocaan hatte Matthias immer respektiert –, aber Matthias erinnerte sich nur zu gut an seine Ungeduld mit den Ungläubigen, den Taktikern, die dem Tabernakel nur beigetreten waren, um ihre persönliche Macht zu vermehren. Manchmal hatte Matthias das Gefühl, diese Leute hätten seine Erfahrung beschmutzt und ihn irgendwie verdorben.
Offensichtlich mißverstand Tri Matthias’ plötzliches Schweigen. »Ich kann noch mehr Varin für dich auftreiben, wenn du willst.«
Matthias lächelte und zuckte wieder zusammen. Er vergaß noch immer, daß
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