Fey 07: Die Augen des Roca
brauche keinen Schutz.«
»Brauchst du doch«, sagte Marly hinter Denl. Neben ihr stand ihr Bruder Jakib. Er sah nicht ganz so ungepflegt aus wie Denl. Auf jeden Fall wirkte er kräftiger. Außerdem war er mit Sicherheit sauberer, denn er hatte sich am Brunnen gewaschen. Jetzt, wo sein Haar sauber war, zeigte es das gleiche Kupferrot wie Marlys. »Und deshalb werdet ihr nich’ ohne diese Männer losziehn.«
»Seit wann erteilst du hier die Befehle?« fragte Matthias belustigt.
»Seit grad eben. Wir könnens uns nich’ leisten, dich zu verliern, nich’ jetzt.«
Jakib zuckte die Schultern. »Sie is’ meine Schwester. Ich kann nix dagegen machen.«
»Aber ich.« Denl wandte sich zum Gehen.
Marly stemmte ihm eine Hand vor die Brust, um ihn aufzuhalten. »Du gibst doch immer damit an, daß du so stark im Glauben wärst«, fauchte sie. »Du behauptest, daß du reiner wärst als wir andern. Dann kannst du auch den Heiligen Herrn beschützen.«
»Er sagt, er is’ nich’ der Heilige Herr«, rief ihnen Denl in Erinnerung.
»Und du sagst, er isses. Beides geht nich’, Denl. Entweder is’ er’s oder nich’, aber das mußt du in deinem Herzen wissen, nich’ in deinem Kopf.«
Denl seufzte. Erst fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, dann ließ er die Schultern fallen, wie um sich von übergroßer Anspannung zu befreien. Schließlich sah er sich nach Matthias um.
»Hast du genug zu futtern für uns alle, oder solln wir selbst was mitnehmen?«
»Ich habe genug«, versicherte Matthias. »Ich glaube nicht, daß wir lange unterwegs sein werden.«
»Vielleicht nur für den Rest unseres Lebens«, zischte Denl.
Marly gab ihm einen leichten Schubs. »Hoffentlich nich’. Ich würd nich’ gern auf euch drei verzichten müssen.«
Matthias’ Stimmung stieg, als er hörte, daß sie ihn mit einbezog.
Marly warf Tri einen strengen Blick zu. »Und du«, mahnte sie, »siehst gefälligst zu, daß sie zurückkommen.«
»Mach ich, meine Dame«, versprach Tri.
»Ich werd dich dran erinnern«, drohte Marly.
»Mach dir keine Sorgen«, beschwichtigte Matthias. »Wir kommen bestimmt zurück.«
Unter ihrem Blick fühlte er sich unbehaglich. Es war, als könnte sie seine Gedanken lesen.
»Ich hoff, du hast recht«, sagte sie. »Ich hoff es wirklich sehr.«
24
Jemand hatte diesen Tunnel erst vor kurzem benutzt. Feder landete auf dem Fußboden. Wie in den meisten Gängen bestand der Boden aus Stein, aber dieser Stein war alt. Der Mörtel der Decke war lose geworden und abgebröckelt. Einige der Klumpen waren so groß wie Felsbrocken.
Natürlich wußte Feder, daß das mit seiner kleinen Gestalt zusammenhing. Aber wenn er zu seiner vollen Größe heranwuchs, konnte er in diesem Gang nicht aufrecht stehen, und wenn er kroch, verhakten sich seine Flügel an der rauhen Decke, und ihre zarten Membranen zerrissen.
Außerdem war der Boden genau wie die Wände moosbedeckt. In der Mitte des Bodens waren die Mörtelbrocken beiseitegefegt, das Moos niedergetreten. Jemand mußte kürzlich hindurchgekrochen sein.
Und zwar nicht nur einer. Feder vermutete, daß die Schwarzkittel auf diesem Weg ihre Höhle entdeckt hatten. Der enge Tunnel mußte durch die alte Steinbrücke führen, die sich über den Cardidas wölbte. Feder sog den Algengeruch des Flußwassers ein und befühlte den feuchten Stein. Wenn er genau hinhörte, konnte er sogar das Wasser über sich rauschen hören.
Dieser Tunnel würde ihn zum Urenkel des Schwarzen Königs führen.
Feder erhob sich vom Boden und flog weiter, froh, daß der Tunnel benutzt war. Der Staub und die Spinnweben heute morgen waren gräßlich gewesen. Es schüttelte ihn immer noch, wenn er daran dachte.
Zum Teil war sein Unbehagen allerdings auch auf seine Begegnung mit dem Schwarzen König zurückzuführen. Feder hatte schon früher kurzen Audienzen beigewohnt, gewöhnlich zusammen mit den anderen Irrlichtfängern dieses Feldzugs. In letzter Zeit hatte der Schwarze König Wirbler bevorzugt. Wann immer Rugad einen Irrlichtfänger benötigt hatte, um etwas auszuspionieren, hatte er Wirbler geschickt. Die Irrlichtfänger hatten schon gemunkelt, Wirbler könne mehr sehen als seine Kollegen.
Aber vor zwei Wochen war Wirbler von dem Auftrag, den Urenkel des Schwarzen Königs zu finden, nicht zurückgekehrt. Auch Cinder nicht. Die beiden waren zusammen unterwegs gewesen.
Manche glaubten, der Urenkel habe Wirbler und Cinder entdeckt und umgebracht, um sich dem Zugriff des Schwarzen Königs zu
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