Fey 07: Die Augen des Roca
Spur hatten Fey hinterlassen. Warum? Um Matthias eine Falle zu stellen? Hatten sie das Bild in den kleinen Feuerpfad eingebaut, damit er es finden sollte?
Warum?
Woher hatten sie gewußt, daß er hier war?
»Dämonenbrut.«
»Hebe Dich Hinweg.«
Wieder erfaßte ihn Panik. Er ballte die Faust, atmete tief durch und unterdrückte die Angst.
Neben ihm schnappte eine Frau nach Luft und preßte beide Hände an die Brust. Sie warf Matthias einen wilden Blick zu und rannte in eine Seitenstraße.
Tri schob eine Hand unter Matthias’ Arm. »Wir müssen gehen.«
»Ich habe sie gefunden«, widersprach Matthias.
»Sie sind nicht hier«, versicherte Tri. Er zerrte Matthias am Ärmel. »Laß uns gehen.«
Denl und Jakib hatten die Hand auf ihre Schwerter gelegt und sich wie Leibwächter neben Matthias aufgebaut.
»Ich habe es mir anders überlegt«, meinte Tri. »Ich will sie nicht mehr finden.«
Matthias berührte die zweite Feuerspur. Er sah nichts Besonderes. Die Spur wickelte sich um seine Fingerspitze, aber es tat nicht weh. Der Stein fühlte sich glatt und kühl an.
Wieder zerrte Tri an ihm.
»Dämonenbrut.« Diesmal stießen mehrere Leute gleichzeitig das Wort hervor. Matthias sah immer mehr Füße um sich herum. Er blickte auf und merkte, daß alle Leute auf dem Marktplatz ihn anstarrten.
Vor ihm brannten die Spuren, dünne, in der Dämmerung glühende Linien.
Zitternd erhob sich Matthias. Die Klippler starrten ihn an, als wäre er ein Ungeheuer, das sie mit einem Augenzwinkern zu Asche verwandeln konnte. Unwillkürlich hob er die Hand ans Gesicht, ließ aber den Arm mit geballter Faust wieder sinken.
»Dämonenbrut«, zischten mehrere Stimmen gleichzeitig.
Matthias streckte die andere Hand aus. Er zitterte immer noch. Tri war dicht hinter ihn getreten. Jakib und Denl hatten sich nicht von der Stelle gerührt.
»Ihr Leute kennt wohl wirklich gar kein Erbarmen!« sagte Matthias laut. Diesmal erlaubte er seinen Fingern, über sein verbundenes Gesicht zu streichen. »Erst vor ein paar Wochen wäre ich fast gestorben, aber das war euch egal.«
»Du hättest niemals leben sollen, Dämonenbrut«, rief ein Mann hinter ihm.
In Matthias’ Kehle stieg die Galle hoch. Er schluckte. »Ich stamme aus dieser Stadt. Jemand, vielleicht sogar einer von euch, hat mich gezeugt. Eine Frau hat mich zur Welt gebracht, aber nie mit mir gesprochen, niemals anerkannt, daß ich überhaupt existiere. Statt dessen habt ihr den sogenannten Weisen erlaubt, mich nackt und allein auf den Berg zu bringen und im Schnee auszusetzen.«
»Matthias …«, unterbrach ihn Tri mit warnendem Unterton.
»Ich bin hier«, fuhr Matthias fort. »Ich wurde hier geboren, ich lebe hier, und ihr werdet akzeptieren müssen, daß ich ebenso hierher gehöre wie jeder andere von euch, groß, wie ich bin, entstellt, wie ich bin, verhaßt, wie ich bin. Ich werde nicht gehen, nur weil ihr mich dazu auffordert.«
»Du hättest auf dem Berg verrecken sollen«, knurrte der Mann hinter Matthias.
Matthias drehte sich nicht um. Er wollte nicht sehen, wer so zu ihm sprach.
»Vielleicht«, stimmte er zu. »Aber vielleicht hatte der Roca andere Pläne mit mir.«
»Der Roca liebt keine Langen«, hielt eine Frau dagegen.
»Ach wirklich?« entgegnete Matthias. »Dann waren es vielleicht Gottes Pläne.«
»Matthias …«, warnte Tri wieder.
»Oder die des Dämonen, dem du dienst.«
»Ich diente dem Tabernakel«, sagte Matthias.
»Aber jetzt nicht mehr«, konterte der Mann.
»Oh, auf meine Weise diene ich ihm noch immer«, erwiderte Matthias. »Und deshalb bin ich hier.«
Der Schatten des Berges fiel auf die Stadt. Wenn Matthias den Kopf hob, würde er die Sonne noch immer am Himmel glühen sehen.
In der zunehmenden Dunkelheit leuchteten die Spuren vor seinen Füßen noch stärker. Sie schienen ihm zuzuzwinkern, als forderten sie ihn auf, ihnen zu folgen.
»Ich glaub nich’, dasses ’ne gute Idee is’, sich mit dem Pack da anzulegen«, zischte Jakib.
»Es ist besser für uns alle, wenn du verschwindest«, fing der Mann wieder an.
»Nein«, erwiderte Matthias. »Es ist nicht besser. Die Fey haben die Blaue Insel erobert, und ich bin einer der wenigen, die wissen, wie man gegen sie kämpfen kann.«
»Du kämpfst gegen niemanden«, höhnte eine kleine Frau in der vordersten Reihe der Menschenmenge. »Du bist bloß hergekommen, um dich zu verstecken.«
»Matthias …« Tri hielt noch immer Matthias’ Arm gepackt. »Bitte. Laß gut sein.«
Die Spuren
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