Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
verrate dir gar nichts. Wenn du dich mir in deinem richtigen Körper näherst, töte ich dich.
Das kannst du nicht, Mädchen. Ich bin Fleisch von deinem Fleisch, Blut von deinem Blut. Wenn du mich tötest, müssen alle sterben.
Das ist nur ein Ammenmärchen, gab sie zurück.
Es ist die Wahrheit, widersprach er. Die einzige Wahrheit, die du glauben mußt.
Verschwinde.
Nein.
Arianna fühlte seine Entschlossenheit, als wäre es ihre eigene. Als wären sie auf seltsame, undefinierbare Weise ein und dieselbe Person. Er würde nicht verschwinden, und Arianna glaubte genug an das »Ammenmärchen«, um beunruhigt zu sein.
Rugad kletterte zu den Augen der Eidechse empor und blickte hindurch. Die Welt war in zahllose Facetten aufgelöst, der Felsen vor ihnen war viele Felsen, die Temperatur der Luft beeinflußte die Körpertemperatur des Geschöpfes.
Verwandle dich, befahl Rugad wieder.
Nein, weigerte sich Arianna ebenso entschlossen. So lange du hier in mir bist, entscheide ich, was wir tun.
Er trat wieder dicht vor sie hin, aber diesmal wich sie nicht von der Stelle. Wandle dich zurück.
Nein. Dann lächelte sie. Du kannst uns ja Verwandeln, wenn du so versessen darauf bist.
Er schüttelte den Kopf mit der beeindruckenden Haarpracht. Die Gestalt, die er in ihrem Inneren angenommen hatte, war nicht älter als Arianna selbst. So jung war er schon seit Jahrzehnten nicht mehr gewesen. Ihr Urgroßvater sah fremd und exotisch und doch so vertraut aus.
Ariannas Gesichtsform glich zwar der ihres Vaters, aber sie hatte die Gesichtszüge ihres Urgroßvaters geerbt.
Sie konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Ihr Lächeln erlosch, und sie fragte sich, ob diese Erkenntnis von ihr selbst oder von ihm stammte.
Rugad war wieder hinter ihre Augen getreten. Er hatte nicht versucht, den Wandel zu kontrollieren. Versuchte er statt dessen, Ariannas Geist zu kontrollieren? Aber wenn das so war, warum hatte er sich ihr dann überhaupt zu erkennen gegeben? Warum hatte er sie nicht einfach heimlich manipuliert?
Weil er dazu nicht fähig war. Sonst hätte er es längst getan. So gut kannte Arianna ihn inzwischen schon, auch wenn sie seine Bekanntschaft erst vor kurzer Zeit gemacht hatte. Seine Rücksichtslosigkeit war ihr deswegen so vertraut, weil sie auch ein Anteil ihrer eigenen Persönlichkeit war.
Arianna trat hinter ihren Urgroßvater und versetzte ihm einen Tritt gegen die Wade. Rugad drehte sich um und funkelte sie mit seinen unheimlichen Augen an.
Du Verwandelst uns nicht, weil du es nicht kannst. Wieder lächelte sie.
Er runzelte die Stirn. Weißt du so wenig, daß du die Methoden der Fey nicht kennst?
Er wußte, daß sie bei ihrem Vater aufgewachsen war. Er wußte, daß auch ihre Fähigkeiten begrenzt waren.
Aber sie besaß trotzdem mehr Macht, als er ahnte.
Wenn du nicht endlich verschwindest, drohte sie, zwinge ich dich dazu.
Große Worte, meine Kleine, gab er zurück. Ich gehe erst, wenn du mir sagst, wo wir hier sind.
Arianna schüttelte den Kopf und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Verschwinde.
Nein.
Sie musterte ihn einen Augenblick. Das hier hast du noch nie bei einem Gestaltwandler gemacht.
Seine Augen weiteten sich unmerklich, und Arianna spürte seine Überraschung, bevor er sie verbergen konnte. Das bedeutete, daß der Strom der Gefühle in beide Richtungen wanderte. Rugad spürte Ariannas Gefühle und sie seine, auch wenn er das nicht wollte.
Also weißt du auch nicht, was ich alles kann.
Ich weiß es, Kind, gab er zurück. Aus seinem Mund klang das Kosewort der Schamanin seltsam. Rugad meinte es nicht liebevoll. Er liebte niemanden.
Außer ihrer Mutter.
Ihre Mutter hatte er geliebt.
Du hast etwas vergessen, sagte er jetzt. Ich weiß alles über die Fey.
Ich bin keine gewöhnliche Fey, konterte Arianna und Verwandelte sich erneut. Diesmal wurde sie von einer Eidechse zu einem Rotkehlchen, fühlte, wie ihr Maul sich zum Schnabel zuspitzte, die Facettenaugen wieder zu binokularen Augen wurden, die Schuppen zu Federn. Sie behielt diese Gestalt nur einen kurzen Moment bei, dann Verwandelte sie sich zurück zur Eidechse, jener Gestalt, die ihren Urgroßvater so herrlich aus der Fassung brachte.
Schon machten sich bei ihrem Körper die ersten Anzeichen von Ermüdung bemerkbar. Arianna hatte von Anfang an keine Reserven gehabt, und jetzt hatte sie noch weniger Kraft. Bald würde sie aus purer Erschöpfung zusammenbrechen.
Diese Erkenntnis dämmerte jetzt auch auf Rugads
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