Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
der Hand über den Mund, um Schmutz und Speichel abzuwischen. Dann klopfte sie die Vorderseite ihres Gewandes ab, stand auf und ging zu Nicholas hinüber.
»Hör nicht auf, sie zu berühren«, sagte sie. »Sonst Verwandelt sie sich vielleicht wieder.«
Nicholas sah auf. Die Schamanin konnte sein Gesicht jetzt deutlicher erkennen als vor den Visionen. Bedeutete das etwa, daß diese schreckliche Nacht endlich ein Ende nahm? Dämmerte es? Die Schamanin konnte es nicht mit Sicherheit sagen. In dieser Höhe gab es keine Vögel, die den Morgen mit ihrem Gesang ankündigten.
Nicholas sah eingefallen und alt aus. Sein Kind zu verlieren würde ihm den letzten Rest Kraft rauben, der ihm noch geblieben war.
Es war die Schamanin selbst gewesen, die ihm diesen Vorschlag gemacht hatte. Das würde Nicholas ihr nie verzeihen, auch wenn es unter den gegebenen Umständen ein vernünftiger Vorschlag gewesen war, so gut kannte die Schamanin ihn inzwischen.
Vielleicht hätte sie schweigen sollen.
»Wann hört das endlich auf?« fragte Nicholas verzweifelt.
»Ich weiß auch nicht«, erwiderte die Schamanin und hockte sich neben ihn.
»Du hattest eine Vision.«
Die Schamanin nickte. »Mehrere.«
»Kam Arianna in einer von ihnen vor?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie wieder.
»Bitte.« Nicholas’ Stimme war rauh. »Keine Ausflüchte.«
»Keine Ausflüchte«, bestätigte die Schamanin. »Ich sah eines deiner Kinder. Ich weiß nur nicht, welches.«
Nicholas seufzte leise. Seine Hände massierten Ariannas rechtes Knie. Der Rest des Beines gehörte einem Pferd. Nicholas arbeitete sich bis zum Huf vor.
»Was passiert mit ihr?« fragte er.
Sie mußte es ihm sagen. Die Schamanin legte ihre Hand auf Ariannas Bein. Zusammen konnten sie auch diesem letzten Körperteil wieder Feygestalt verleihen. »Sie ist fort.«
»Fort?« Nicholas’ Stimme zitterte.
»Sie hat ihren Körper verlassen. Das ist die einzige Erklärung für ihren Zustand.«
»Hat der Schwarze König sie entführt?«
»Ich weiß nicht.« Das Pferdefell fühlte sich warm an. »Ich glaube nicht. Ich Sah …«
Sie schloß die Augen. Sie mußte Nicholas von dem Golem erzählen.
Nicholas hatte innegehalten. »Ja?«
»Ich Sah den Schwarzen König und den Golem, deinen Sebastian. Ich glaube, der Golem versuchte, den Schwarzen König zu töten.«
»Sebastian?« Nicholas hob jäh den Kopf. »Ich habe selbst gesehen, wie er starb.«
»Sebastian ist nicht wie du und ich«, erklärte die Schamanin. »Er besteht nicht aus Fleisch und Blut. Er ist aus Stein. Ganz selten schafft es ein Golem, sich wieder zusammenzufügen. Solche Golems führen ein Eigenleben. Das ist Teil der Mysterien, jener Dinge, die wir nicht erklären können. In unserer Geschichte gibt es einige davon.«
»Er hat sich wieder zusammengefügt?« Die Schamanin legte ihre Hände auf Nicholas’ Hände und zwang sie, weiter die Stelle zu kneten, an der Ariannas Bein wieder zu dem eines Pferdes geworden war. Immer noch vollzog sich die Wandlung langsam, aber stetig unter Nicholas’ Fingern.
»Offenbar«, entgegnete die Schamanin. »Denn Rugad hat Arianna durch Sebastians Verbindung zu ihr gefunden.«
»Der Schwarze König hat Sebastian gefangen?«
»Daraufhin hat Sebastian Rugad in seine steinerne Hülle gelockt und ist wieder zersprungen. Ich weiß nicht, ob es funktioniert hat, Nicholas.« Aber allein der Versuch bewies, daß dieser Golem mehr Intelligenz besaß, als die Schamanin vermutet hatte. Sie war nicht sicher, ob ihr das gefiel.
»Und Arianna? War sie bei ihm?«
»Das konnte ich nicht sehen.« Die Schamanin holte tief Luft. Jetzt kam der schwerste Teil. »Auch ich habe eine Verbindung zu Arianna, aber sie ist zu schwach, um sie zu bereisen. Deine Verbindung ist stärker. Ich würde sie gern benutzen. Ich möchte Arianna finden. Du kannst sie nicht ewig so halten. Ihr Körper wird sich erneut Wandeln, und diesmal wird er steckenbleiben. Er wird sterben und sie mit ihm.«
»Eben wolltest du sie noch töten«, wandte Nicholas ein. Nur seine Finger bewegten sich noch, sonst schien er völlig erstarrt.
»Ich wollte dich nur auf die Möglichkeit aufmerksam machen«, rechtfertigte sich die Schamanin. »Wenn du ein Fey wärst, hättest du dich anders entschieden.«
»So wie du.«
»Es ist nicht meine Entscheidung, Nicholas, sondern deine.«
»Und jetzt soll ich dir das Leben meiner Tochter anvertrauen?«
»Außer mir ist niemand hier.« Die Schamanin verspürte ein seltsames Gefühl der
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