Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
ihre Zauberkünste wie ein Visionär. Und genau wie einen Visionär ärgerten Hexer ihn mehr, als daß sie ihn freuten. Trotzdem konnten sie wahrscheinlich auch nützlich sein. Sie übernahmen das Reden – und wenn nötig auch das Überreden.
»Wie ernst ist es?« fragte Erbok.
»Es hat etwas mit Magie zu tun«, erwiderte Boteen. »Ich habe das schon öfter gehabt.«
Er trat einen Schritt beiseite. »Siehst du das Glühen da oben auf dem Berg?«
»Die Sonne?« fragte Erbok zurück.
»Nein!« fauchte Boteen. »Es sieht aus wie ein Edelstein.«
»Nein«, erwiderte Erbok.
Boteen stöhnte. Warum mußte er ausgerechnet mit Gefährten unterwegs sein, denen es derartig an Zauberkraft mangelte? Warum konnte er nicht mit einem Visionär oder einer Gestaltwandlerin reisen? Mit jemandem, dessen Fähigkeiten wenigstens entfernt an seine eigenen heranreichten.
»Dort oben gibt es Strömungen«, warf eine Irrlichtfängerin ein.
Boteen drehte sich nach der Sprecherin um. Sie war schon älter, für eine Fey ziemlich zierlich und blaß. Diese Blässe rührte von einer gemischten Abstammung vor mehreren Generationen her. So etwas machte Irrlichtfänger manchmal fast so durchsichtig wie ihre Flügel.
Wegen ihrer Färbung und Zerbrechlichkeit wurde diese Irrlichtfängerin Schleier genannt.
»Strömungen?« wiederholte Boteen.
Schleier nickte. »Während wir fliegen, registrieren wir magische Strömungen. In solchen Magiewirbeln haben wir schon einige Leute verloren. Deshalb sind wir bei so etwas immer besonders vorsichtig.«
Ein anderer Irrlichtfänger, der sich Boteen vor der Abreise vorgestellt, dessen Namen er aber inzwischen wieder vergessen hatte, fügte hinzu: »In diesen Bergen haben wir schon eine Menge Ärger gehabt. Die magischen Strömungen sind hier stärker als sonstwo.«
»Irrlichtfänger sind ja so empfindliche Geschöpfe«, spottete eine Möwenreiterin, die eben auf dem Dach der Kutsche gelandet war. »Sie sind so leicht, daß sie seltsame Strömungen erfinden müssen, um zu erklären, warum sie nie den Kurs halten können. Dabei liegt alles nur daran, daß sie fast nichts wiegen.«
Boteen schüttelte den Kopf. »Ich habe genau dasselbe gefühlt. Vielleicht bist du ja zu schwer, um es zu spüren.«
Er ging um die Kutsche herum. Die Pferdereiter hatten ihre Gestalt beibehalten. Die winzigen Fey auf ihren Rücken spähten hinter den Tierhälsen hervor, um die vor ihnen liegende Straße zu betrachten.
»Wo hast du sonst noch Strömungen wahrgenommen?« wandte sich Boteen wieder an Schleier.
»Als wir über die Berge im Süden auf die Insel gekommen sind«, erwiderte sie. »Auch dort gab es starke magische Strömungen, aber nicht so stark wie hier. Die ganze Insel ist voll davon.«
»Hast du jemals außerhalb der Blauen Insel solche Strömungen angetroffen?«
»Im Umkreis von Schattenländern.«
»Unerfahrenen Irrlichtfängern müssen wir erst beibringen, wie man ein Schattenland gefahrlos betritt«, setzte der andere Irrlichtfänger hinzu.
Davon hatte Boteen schon gehört. Als er ein kleiner Junge gewesen war, hatte es einmal einen Skandal gegeben, weil ein Irrlichtfängerkind im Torkreis eines Schattenlandes zerquetscht worden war. Der Visionär, der das Schattenland erschaffen hatte, ein Mitglied der Schwarzen Familie, aber von niedrigem Rang, hatte die Sache als Unfall abgetan. Die Irrlichtfänger hatten die Eltern des Kindes wegen ihrer Nachlässigkeit bestraft, und die übrigen Fey hatten den Aufruhr einfach nur als Zeitverschwendung betrachtet.
»Sonst noch irgendwo?« erkundigte sich Boteen. Er stand jetzt am Rand der Straße, die sich unter ihm den Berg bis zu der Abzweigung des Cardidas hinunterwand. Von hier aus wirkte der Fluß tief und reißend. Wo er gegen die Felsen in seiner Mitte brandete, sprühte weiße Gischt.
»Ich bin sonst keinem begegnet«, meinte Schleier.
»Und hast du noch von anderen Orten gehört?«
»Ich habe mir sagen lassen, daß es in den Eccrasischen Bergen gefährliche magische Strömungen geben soll«, mischte sich der männliche Irrlichtfänger wieder ein.
»Luftströmungen«, schnaubte die Möwenreiterin. »Das liegt bloß an der ungewöhnlichen Höhe der Eccrasischen Berge.«
Boteen wandte sich nach ihr um. »Sind die Eccrasischen Berge so hoch wie diese hier?«
»Ich weiß nicht genau«, gab die Möwenreiterin zurück. »Aber ich glaube schon. Sie gelten als die höchsten im ganzen Imperium der Fey, jedenfalls als wir nach Nye vorgedrungen sind.«
Diese
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