Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
Galinas bereist hatte, faszinierten ihn durch ihre Tradition wie jede fremde Kultur. Aber eine solche Herausforderung wie hier hatte er noch nie verspürt, noch nie so sehr das Gefühl gehabt, endlich nach Hause gekommen zu sein.
Bei diesem letzten Gedanken blieb er abrupt stehen.
Nach Hause.
Wie kam er bloß darauf? Er war irgendwo unterwegs geboren worden, als Sohn eines Spions und einer Domestikin, deren Leidenschaft füreinander Boteens Kindheit nicht überdauert hatte. Sie hatten ihn schon in zartem Alter Rugads Hütern übergeben, die ihn wiederum als Testperson für viele ihrer Zaubersprüche benutzt hatten. Auf diese Weise hatte Boteen alles über die Zauberkünste der Fey gelernt – selbst über diejenigen Fähigkeiten, die er selbst nicht besaß, wie zum Beispiel, sich zu Verwandeln –, aber er hatte auch nie einen festen Wohnsitz gehabt. Seit er drei Jahre alt war, war er ein festes Mitglied von Rugads Armee und davor ein Anhängsel des Zigeunerhaushalts seiner Eltern.
Ein eigenes Zuhause hatte er nie besessen.
Woher rührte also dieses seltsame Gefühl?
Boteen wußte die Antwort. Es ging von den Bergen aus und von der Magie, die hier in der Luft lag.
Es rührte von der Wildheit dieses Ortes.
Boteen mußte sich darauf vorbereiten, Rugad in allen Einzelheiten zu schildern, was hier vor sich ging.
»Hol den Schreiber!« befahl er Ay’Le.
Sie runzelte die Stirn, klopfte dann aber an die Tür der anderen Kutsche. Der Schreiber sah aus wie alle seine Kollegen: ein ziemlich fader Zeitgenosse, den die kleinste Abweichung von der täglichen Routine zu beunruhigen schien. Beim Anblick der berittenen Inselbewohner hatte er sich in seiner Kutsche verschanzt und war bis jetzt nicht mehr zum Vorschein gekommen.
Die Kutschentür öffnete sich langsam. Widerstrebend stieg der Schreiber aus.
Vom Alter her hätte er Boteens Vater sein können. Vielleicht war er sogar älter als Rugad. Seine Augen waren groß und tief, der Mund klein und die Ohren so groß wie Hände.
Er verneigte sich vor Boteen, aber der schüttelte den Kopf.
»Vor mir brauchst du dich nicht zu verbeugen, Schreiber«, sagte er.
»Verzeihung, Herr«, erwiderte der Schreiber und machte Anstalten, sich ein zweites Mal zu verbeugen, schien sich dann aber eines Besseren zu besinnen. Offenbar ängstigte ihn die Tatsache, überhaupt angesprochen zu werden, genauso wie die fremdartige Umgebung. Immer wieder warf er hastige Blicke auf die rosafarbene Gischt unter ihnen.
»Du wußtest, daß diese Reise keine Spazierfahrt werden würde, nicht wahr?« fragte Boteen.
Der Schreiber schüttelte den Kopf. »Man hat mir nur mitgeteilt, ich würde gebraucht.«
»Und normalerweise sitzt du in einer Ecke und hörst zu.«
»Ja, Herr«, bestätigte der Schreiber.
Boteen schnaufte. Natürlich. Der Mann war so gut wie wertlos. Aber Rugad mußte einen Grund gehabt haben, ihn mitzuschicken.
»Hättest du mich mit den Inselbewohnern sprechen lassen, hätte er es aufschreiben können«, mischte sich Ay’Le ein.
»Du hast mit den Inselbewohnern gesprochen«, erwiderte Boteen scharf.
Der Schreiber beobachtete sie gespannt. Was sollte er Rugad wohl noch alles berichten?
»Du gehörst jetzt mir«, verkündete Boteen. »Diese ganze Unternehmung untersteht ab sofort meinem Kommando, und du wirst alles tun, was ich sage. Ist das klar?«
Der Schreiber nickte kurz.
Beinahe hätte Boteen ihn nach seinem Namen gefragt, aber er erinnerte sich rechtzeitig. Während der Arbeit durfte ein Schreiber seinen Namen nicht verraten. Es war besser, wenn er anonym blieb. Besser für ihn, besser für seine Zauberkraft und besser für diejenigen, die seine Dienste in Anspruch nahmen. Auf diese Weise war nicht der Schreiber allein für eventuelle Fehler verantwortlich, sondern alle Anwesenden.
Wenn man so ängstlich war wie dieser hier, war das sicherlich eine sinnvolle Vorschrift.
»Du wirst mich begleiten und dich bereithalten, Rugad eine Botschaft zu überbringen. Eine ganz besondere Botschaft.«
»Dafür bin ich da«, bestätigte der Schreiber eilfertig. »Für besondere Botschaften.«
»Gut«, lobte Boteen. Er warf einen Blick auf den Berg. Der Schreiber tat es ihm nach und schauderte. Boteen hatte den Eindruck, daß der Mann sich nur selten im Freien aufhielt.
»Kannst du reiten?« erkundigte sich Boteen.
»Nein«, erwiderte der Schreiber.
»Ein Glück«, nuschelte Threem.
»Dann wirst du es eben lernen. Eine Kutsche schafft es nicht rechtzeitig bis nach
Weitere Kostenlose Bücher