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Fey 09: Die roten Klippen

Fey 09: Die roten Klippen

Titel: Fey 09: Die roten Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Zeichen von Blutdurst, aber sie sahen alles andere als blutdurstig aus. Sie machten vielmehr den Eindruck, als krümmten sie sich vor Schmerzen. Die Tierreiter in Fey-Gestalt preßten sich die Hände auf die Mägen oder legten wie trostsuchend ihre beiden Köpfe aneinander. Ringsum erklangen überall unfreiwillige Laute, Schmerzensschreie, Stöhnen und leises Jammern, das, was Licia zuerst für Geplauder gehalten hatte.
    Besonders das Jammern fiel ihr auf die Nerven.
    Licias Truppen ging es nicht anders. Sie standen noch genauso da, wie Licia sie zuvor verlassen hatte, aber an den leicht verschobenen Reihen erkannte man deutlich, daß sich die Soldaten unsicher hin und her bewegt hatten.
    Abgesehen von den Befehlshabern niederen Ranges, die über keine Magie verfügten, wirkten alle anderen Führer so verstört wie die Fußsoldaten. Im Gegensatz zu diesen versuchten sie jedoch, Fassung zu bewahren, ihre Einheiten um sich zu scharen und die allgemeine Verwirrung zu beenden. Leider erfolglos.
    Ja, auch Licia hatte den Wind, oder die Woge, wie Ay’Le es genannt hatte, gespürt und es hatte sie unangenehm berührt, aber ihre Reaktion war nicht so heftig gewesen wie die ihrer Truppen. Kam es daher, daß diese Truppen noch jung und wenig abgehärtet waren? Viele der Soldaten hatten bisher nur auf der Insel gekämpft. Rugad hatte sie hierhergeschickt, weil sie jung und kräftig waren. Die Kämpfer mit mehr Erfahrung hatte er zur Bewachung der Insel zurückgelassen, weil er sie für befähigter hielt, die Inselbewohner zu kontrollieren.
    War das etwa auch eine falsche Annahme gewesen?
    Aber das spielte für Licia momentan keine Rolle. Sie mußte ihre Leute auf die bevorstehende Aufgabe einschwören, und sie mußte es jetzt tun. Es war auch vollkommen gleichgültig, ob sie dabei laut war, denn die Truppen machten bereits einen solchen Lärm, daß sie jedermann von der Straße aus hören konnte.
    Licia verfluchte leise Ay’Le, deren Hexenkünste jetzt so nützlich gewesen wären, aber sie wußte genau, daß die Kräfte der Frau im Augenblick erschöpft waren. Ay’Le würde dafür zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn sie die einzige sein sollte. Dafür würden Licia und Boteen sorgen.
    Licia klatschte in die Hände.
    Sofort richteten sich die Augen der Soldaten auf ihre Anführerin. Nacheinander hoben auch die Fußsoldaten den Kopf. Viele der Tierreiter reagierten jedoch nicht.
    Licia klatschte erneut in die Hände und gab lautstark den Befehl, Haltung anzunehmen.
    Diesmal verstummte das Stimmgewirr. Alle blickten sie an.
    »So reagiert ihr also auf unbekannte Magie?« rief sie so laut, daß alle es hören konnten. Die Talmulde warf das Echo der Stimmen zurück, was Licia jetzt zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzte, um sich Gehör zu verschaffen. »Ihr rümpft die Nasen und jammert und krümmt euch zusammen, genau wie das Volk, das wir erobern wollen?«
    Volltönend klang ihr die eigene Stimme in den Ohren wider. Es war absolut still geworden.
    »Fußsoldaten, die vor Schmerzen weinen? Tierreiter, die weniger mutig handeln als die Tiere, die sie in sich tragen? Seid ihr wirklich Fey? Oder hat die Insel aus euch etwas Geringeres als Fey gemacht? Seid ihr womöglich alle zu Versagern geworden?«
    Die Fußsoldaten hatten Habachtstellung eingenommen, die Arme lagen eng und gerade an den Seiten. Die Tierreiter hielten sich immer noch den Leib, aber die anderen Reiter lösten die Köpfe voneinander. Alle beobachteten Licia mit gespannter Aufmerksamkeit.
    »Es ist mir gleichgültig, wieviel Schmerzen ihr habt«, sagte sie. »Es kümmert mich nicht, ob eure Zauberkraft beeinflußt wurde, auch wenn das wahrscheinlich eine neue Erfahrung für euch war. Eure persönliche Reaktion auf dieses sonderbare Ereignis hat keine Bedeutung für mich. Ihr seid Soldaten. Ihr seid Fey. Habt ihr das vergessen?«
    Sie spuckte verächtlich aus. Eine Fußsoldatin in Licias Nähe jammerte leise auf.
    »Man hat uns eine Aufgabe zugeteilt, aber euer Verhalten macht es unmöglich, diese Aufgabe auszuführen.« Während Licia sprach, sah sie Ay’Le, noch immer eine Hand gegen den Leib gepreßt, hinter ihrem Felsen hervorkommen. »Ich kann nicht mehr sicher sein, daß ihr euch im entscheidenden Moment wie Fey verhaltet.«
    Licia machte einen Schritt auf die Soldaten zu.
    »Ich bin eine Visionärin zweiten Ranges. Auch ich habe diese Welle gespürt, aber für mich war sie eher wie ein Windhauch. Ein böser Wind natürlich, aber eben nur ein Wind. Er

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