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Fey 09: Die roten Klippen

Fey 09: Die roten Klippen

Titel: Fey 09: Die roten Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Junge sich gesäubert hatte, sah er sogar noch jünger als zuvor aus. Jünger und hübscher. Er hatte runde blaue Augen mit langen Wimpern, ein perfektes Gesicht, so wie es sich Eltern immer wünschten, mit pausbäckigen Wangen und von goldenem Haar eingefaßt. Die Augen waren durch den Schlafmangel tiefer in die Höhlen gesunken und wirkten irgendwie gehetzt, als hätte der Junge mehr gesehen, als er verkraften konnte.
    Als er sauber war, hatte auch der Weinkrampf endlich nachgelassen. Es war, als hätte er die ganze Zeit über stark sein müssen, stärker als jemals zuvor, und jetzt, nachdem er jemanden gefunden hatte, der ihm zur Seite stand, hatte er die Kontrolle über sich verloren. Luke wußte genau, wie man sich dabei fühlte. Er hatte sich damals, als junger Mann, auch oft so gefühlt, während der Gefangenschaft seines Vaters. Nur hatte er nicht geweint, als sein Vater nach Hause zurückgekehrt war. Dafür war es damals für ihn zu spät gewesen.
    Sie gingen eilig weiter auf der Straße entlang. Bis jetzt waren ihnen noch keine Fey gefolgt, was Luke jedoch eher beunruhigte als in Sicherheit wiegte. Die Fey schienen die Anführer des Überfalls vergessen zu haben, und das entsprach nicht ihrem normalen Verhalten.
    Doch das Feuer loderte noch immer sehr stark hinter ihnen, eine riesige Flammenwand, bei der nichts darauf hinwies, daß sie so bald aufhören würde. Nach seinem Blick ins Innere der Scheune hätte Luke niemals mit einer solchen Reaktion gerechnet, hätte nie geglaubt, daß das Feuer so wütend, so stark und so lange brennen würde.
    Sie verließen die Straße und schlugen sich quer über eine Wiese, wobei sie im taubedeckten Gras eine schmale Spur zurückließen. Luke wußte, daß sie keine Zeit hatten, um sie zu verwischen, also versuchte er es nicht erst. Er wußte nicht, ob die anderen noch auf ihn warteten; er hatte sie angewiesen, die Kapelle vor Mittag zu verlassen.
    Nach Cons Auftauchen und dem Tod der Fey hatte Luke jegliches Zeitgefühl verloren. Eigentlich hatte er nicht erwartet, so weit zu kommen. Er hatte damit gerechnet, daß ihn die Fey töteten, nachdem er sie von seinen Gefährten abgelenkt hatte.
    Vermutlich hielten sie ihn ebenfalls für tot.
    Con stieß einen leisen Schrei der Erleichterung aus. Luke sah sich mißtrauisch um. Er war diesen Weg schon so oft gegangen, daß er ihn mit geschlossenen Augen fand. Das Feld war von einer wild wuchernden Wiese bewachsen; der Bauer hatte es in diesem Jahr brachliegen lassen. Schon vor langer Zeit hatten die Inselbewohner gelernt, ihre Felder hin und wieder ruhen zu lassen, bevor sie überhaupt nichts mehr hergaben. Luke bezweifelte, daß die Fey in Zukunft einen derartigen Luxus zuließen.
    Doch nicht das grasbewachsene Feld hatte Cons Aufmerksamkeit erregt.
    Er hatte die Kapelle erblickt.
    Die Kapelle sah aus wie viele andere, die überall auf der Blauen Insel verstreut waren, ein kleines, weißgetünchtes Gebäude mit nur einem einzigen Raum. Ihr Anblick vermittelte einen Ausdruck ärmlicher Bescheidenheit. In dieser Hinsicht war sie das genaue Gegenteil des Tabernakels, einem Ort, an dem Prunk im Übermaß regiert hatte.
    Con eilte ihm voran, doch Luke hielt ihn am Arm fest. »Sie erwarten mich«, sagte Luke leise.
    Con nickte und hielt sich hinter Luke. Am offenen Eingang angekommen – die Fey hatten die Tür herausgerissen –, spähte Luke vorsichtig in die Kapelle.
    Er wußte selbst nicht genau, was er eigentlich erwartete. Vielleicht einen grausigen Anblick … seine niedergemachten Gefährten, ebenso geschlachtet, wie er und Luke die Fey geschlachtet hatten … überall Blut, eine grausame und gnadenlose Vergeltungsaktion.
    Es war jedoch dunkel in der kleinen Kirche, und nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er Medes, Totle und Jona, die so weit hinten kauerten wie möglich. Niemand, der nicht direkt nach ihnen suchte, hätte sie dort entdeckt.
    Luke ging hinein. Der Lehmboden war schon lange nicht mehr gefegt worden, und die hölzerne Plattform, die einst der Altar gewesen war, war nackt und leer. Von den Wänden waren sämtliche religiösen Symbole verschwunden, und die Gebetsstühle – das Kirchlein war zu klein für größere Bankreihen – lagen kreuz und quer im Raum oder waren wie Feuerholz in einer Ecke gestapelt.
    »Ich habe einen der unseren mitgebracht«, erklärte Luke vorsichtig. »Er ist ein Aud.«
    »Bist du sicher?« fragte Jona.
    »Ja«, antwortete Luke. »Er hat mir das Leben

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