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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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einander an. Nicholas spürte sein Herz laut schlagen. Daran hatte er nicht gedacht. Daran hatte er überhaupt noch nicht gedacht.
    Bei all den Ereignissen der letzten Tage hatte er so viel übersehen, und gerade jetzt mußte er doch auf alles genau achten.
    »Ich denke, dieses Mal bin ich an der Reihe, es zu versuchen«, sagte Adrian.
    Nicholas runzelte die Stirn. »Ich bin der Nachfahre des Roca. Ich dachte, wir sind uns einig, daß …«
    »Das sind wir auch«, sagte Adrian. »Aber wir waren uns hinsichtlich der Gegenstände auf den Regalen einig, nicht was diese Sache hier angeht. Jene Dinge sind anscheinend von Rocaanisten dort hingestellt worden, oder sogar vom Rocaan selbst. Das hier nicht.«
    Ganz offensichtlich nicht. Obwohl der Sockel von Menschenhand geschaffen war, kam das Wasser doch aus dem Berg heraus.
    Wasser ist die Essenz Gottes.
    Sollte das heißen, dieses Wasser war die Essenz? Wenn ja, was sollte Nicholas Adrian dann tun lassen? Ihn etwa die Essenz Gottes spüren lassen?
    »Wir wissen aber nicht, was es ist«, sagte Nicholas zögernd.
    »Es könnte auch einfach Wasser sein«, antwortete Adrian.
    »Es könnte aber auch mehr sein.«
    »Wovor genau habt Ihr Angst, Sire?« fragte Adrian.
    Darauf wußte Nicholas nichts zu antworten, denn seine Angst war nur ein unbestimmtes Gefühl, das schwer zu erfassen und noch schwerer zu erklären war. Es war ein flaues Gefühl in der Magengrube. Etwas, das ihm sagte, daß weder die Kugeln noch die Schwerter, noch die Wandteppiche, sondern dieses Wasser den Schlüssel zum Geheimnis dieser Höhle in sich barg.
    »Vor allem«, sagte Nicholas langsam. »Und vor nichts.« Er schluckte. »Ich bin bereit, … ich meine, ich würde es vorziehen, … es selbst zu versuchen.«
    Adrian schwieg einen Moment, dann nickte er. »Ich darf Euch nicht widersprechen«, sagte er, obwohl es ja genau das war, was er getan hatte. Nicholas hatte bemerkt, daß Adrian immer das Wort »Sire« hinzufügte, wenn er das Gefühl hatte, daß Nicholas auf seinen Rang pochte, oder wenn er eine Entscheidung traf, mit der Adrian nicht einverstanden war.
    »Nein«, sagte Nicholas. »Das darfst du nicht.«
    Er trat näher an das Becken heran. Der frische Duft von Wasser erfüllte die Luft, es roch herrlich, verführerisch und voller Süße. Nicholas wischte die Hände an seiner Robe ab, tauchte sie ins Wasser und machte kleine Wirbel im Becken.
    Das Wasser war eiskalt. Vor Schreck schnappte er nach Luft. Adrian beobachtete ihn genau.
    »Kalt«, sagte Nicholas.
    Und stärkend. Es fröstelte ihn am ganzen Körper, und doch fühlte es sich zugleich wohltuend an. Er hatte gar nicht gemerkt, wie warm ihm war.
    Das Wasser weichte seine Wunden auf. Es ließ die Schmerzen kurz aufflammen und beruhigte sie dann. Er neigte sich nach vorne und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Die Kälte fühlte sich wundervoll an, denn sie machte ihn wach. Zum ersten Mal seit die Schamanin gestorben war, fühlte er sich wieder lebendig.
    Er hatte gar nicht gewußt, wie isoliert er sich gefühlt hatte, selbst nach Jewels Erscheinen.
    Das Wasser prickelte auf der Haut. Adrian verfolgte jede seiner Bewegungen ganz genau. Nicholas lächelte ihn beruhigend an, aber Adrian erwiderte das Lächeln nicht.
    Nicholas hob sein tropfnasses Gesicht und schöpfte Wasser in die hohlen Hände, soviel sie faßten. Sein Herz klopfte stärker, und er zitterte etwas.
    Jetzt war es soweit.
    Er tat etwas, was er schon seit langer Zeit nicht mehr getan hatte: Er betete leise. Er betete nicht für sich, sondern für seine Kinder; falls er sterben würde. Sie würden Beistand brauchen, und er hoffte, sie würden ihn bei jemandem finden, der ihnen einen guten Rat geben konnte.
    Rasch hob er die Hände an die Lippen, damit ihm keine Zeit mehr blieb, noch länger zu überlegen, was er da eigentlich tat.
    Er trank …
    Und schmeckte das kälteste und süßeste Wasser, daß er je getrunken hatte. Es stillte seinen Durst und kräftigte ihn. Ohne nachzudenken, tauchte er die Hände wieder und wieder ein und trank, soviel er konnte.
    Adrian streckte die Hand nach ihm aus, wollte ihn bitten, aufzuhören, aber Nicholas wollte nicht. Er war nicht sicher, ob er das so einfach konnte.
    Das Wasser erfüllte ihn und breitete sich in ihm aus. Er trank und trank, und dabei merkte er irgendwann, daß er vergessen hatte, zu atmen, zu denken und eigene Entscheidungen zu treffen.
    Seine Hände bewegten sich, seine Lippen schlürften wie von selbst, seine Kehle

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