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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Gesicht und ebensolcher Kleidung. Seine Hände waren schwarz. Er hatte sich nach dem Verlassen seiner Arbeitsstelle nicht gesäubert, wo auch immer er gearbeitet hatte.
    Rugad versuchte, den Ausdruck von Ekel aus seinem Gesicht wegzuwischen. Er durchquerte den Raum mit dem guten Vorsatz, sich nicht an dem Geruch zu stören. Er wußte, daß der Gestank aus der Nähe noch schlimmer wurde. Genauso war es.
    Er hätte am liebsten ganz flach geatmet, aber er wollte nicht, daß jemand aus seinem Heer glaubte, er könne dergleichen etwa nicht aushalten. Selbst wenn es so entsetzlich war wie das, und sei es auch der niedrigste Soldat.
    »Komm mit mir«, sagte er zu der Kappe. Die Kappe nickte kurz. Die Wache trat offensichtlich erleichtert zurück, ließ sie jedoch nicht aus den Augen. Rugad ging zu der Wand mit den Schwertern und blieb vor den ältesten stehen.
    »Berühre die Klinge!« befahl Rugad.
    Die Kappe runzelte zwar die Stirn, hob aber gehorsam die Hand. Als die Hand die Wand fast schon erreicht hatte, fügte Rugad noch etwas hinzu. »Richtig fest draufdrücken.«
    Die Augen der Rotkappe verengten sich, aber sie bewegte die Hand weiter. Er berührte den Rand der Klinge. Nichts geschah. Er schaute fragend zu Rugad auf, der die Hände auf dem Rücken verschränkte. »Weiter«, knurrte er.
    »Wonach suchen wir?« fragte die Kappe.
    Rugad hatte nicht die Absicht, es ihm zu verraten. Die wenigsten Fey waren in einer Position, in der sie alles wissen mußten, und eine Rotkappe schon gar nicht. »Mach einfach weiter.«
    Die Kappe zog die Stirn noch mehr in Falten, berührte aber eine weitere Klinge, und noch eine. Ihre Ränder waren so stumpf, daß sie die Haut nur oberflächlich ritzten. Offensichtlich hielt die Rotkappe das Ganze allmählich für Zeitverschwendung. Der Mann drückte den Finger auf eine Klinge nach der anderen und ging dabei eine ganze Reihe durch, bevor er plötzlich laut aufschrie.
    Rugad trat näher.
    Die Rotkappe hielt die blutende Hand an die Brust gepreßt.
    »Scharf?« fragte Rugad.
    Der kleine Mann streckte wortlos die Hand aus. Der Finger, mit dem er die Klingen berührt hatte, war verschwunden.
    Er lag auf dem Boden.
    »Heb ihn auf«, sagte Rugad.
    Die Kappe bückte sich langsam und hob den Finger mit der anderen Hand auf.
    »Jetzt zeig mir, welche Klinge du berührt hast.«
    Die Kappe nickte in Richtung einer Klinge, die wie die Schwerter geformt war, die den Tabernakel geschmückt hatten. Rugad fühlte Gewißheit in sich aufsteigen. Also hatte das Schwert und nicht der Schwarzkittel das Gemetzel an seinen Leuten an genau diesem Ort verursacht. Es war so, wie er es vermutet hatte.
    »Streck deine Hand aus!« befahl Rugad.
    Die Kappe gehorchte. Rugad riß ein Stück vom eigenen Hemd ab und verband damit den Fingerstumpf, um den Blutstrom zu stillen.
    »Ist gut«, sagte er. »Steck deinen Finger in die Tasche und gib ihn später den Domestiken, wenn du hier fertig bist.«
    »Ich möchte jetzt gerne gehen«, sagte die Rotkappe mit gepreßter Stimme.
    »Du bist noch nicht fertig!« fuhr ihn Rugad an. »Du gehst erst, wenn ich es dir erlaube.«
    Der Mann nickte. Seine Haut war aschfahl geworden, und seine Augen schienen nur noch zwei winzige Punkte in seinem Gesicht zu sein.
    »Ich will, daß du die anderen Klingen, die dieser hier ähneln, genauso prüfst«, sagte Rugad. »Wenn du das mit etwas weniger Eifer tust, muß es dich nicht unbedingt noch einen Finger kosten.«
    Er sagte das, obwohl er es natürlich nicht garantieren konnte. Die Klinge schien eine besondere Eigenschaft zu besitzen, die sie so extrem scharf machte. Er packte das Schwert am Griff und nahm es von der Wand. Gleichzeitig beobachtete er, wie die Kappe respektvoll von Schwert zu Schwert ging.
    Die Klinge war dünner als jede von den Fey geschmiedete. Sie war dünner als jede andere Klinge, die er je gesehen hatte. Er untersuchte sie genau, besonders die Qualität der Arbeit. Das Blut der Kappe, das daran geklebt hatte, war bereits verschwunden. Das Schwert glänzte wieder makellos.
    Die Kappe jaulte abermals auf. Doch dieses Mal war es ein unterdrückter Schrei, fast so, als solle der Schmerz unbemerkt bleiben. Der zweite Finger war zwar noch an der Hand, aber er war zwischen dem ersten und zweiten Glied klar durchtrennt. Es würde die Heiler einige Zeit kosten, diesen Finger zu retten.
    Rugad nahm auch diese Klinge von der Wand. Und jede weitere, die die Kappe aufschreien ließ. Er legte sie zu einem Haufen auf den Boden.

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