Fey 10: Das Seelenglas
drücke etwas dagegen.
- Hat da jemand gesprochen?
- Ja. Er hat gesprochen.
Er glaubte Ehrfurcht in ihren Stimmen zu vernehmen.
»Ihr sprecht doch über mich«, sagte er. »Was ist mit mir geschehen? Bin ich tot?«
- Noch nicht, antwortete eine der Stimmen.
- Wärst du es denn gern? fragte eine andere.
Er ignorierte die Frage. »Seid ihr echt?«
- Das hängt davon ab, was du echt nennst, mein Junge, erwiderte eine ganz andere Stimme.
»Was ist mit mir geschehen?«
- Du hast aus dem Quell des Lebens getrunken, erklärte eine neue Stimme.
»Was bedeutet das?«
- Das, was auch immer es für dich selbst bedeutet, sagte eine der ersten Frauenstimmen.
- Nein, mischte sich eine zweite Frauenstimme ein. Diese Macht darfst du ihm nicht geben. Seine Familie hat sie schon. Sie noch zu vergrößern ist nicht gerecht.
- Gerecht wem gegenüber?
- Weitere Verwandlungen seines Wesens könnten ihn töten.
- Oder ihn noch stärker machen.
»Sprecht ihr davon, mir Zauberkraft zu verleihen?« fragte Nicholas.
- Wir sprechen von Macht.
- Macht wie euer Roca.
- Macht, die von alters her kommt.
- (Er hat schon soviel Macht wie dieser Roca), flüsterte jemand den anderen zu, so als solle Nicholas es nicht hören. (Er hat sie nur noch nicht entwickelt.)
- Soweit wird es nicht kommen. Siehst du denn nicht, daß er aus dem Geschlecht entstammt, das seine Macht abgelehnt hat.
»Meine Tochter besitzt magische Kräfte«, sagte Nicholas. »Mein Sohn auch. Kommt das vom Roca?«
- Ja, antwortete die erste Frauenstimme.
»Und ihr wollt mir die gleiche Macht verleihen?«
- Du hast sie verlangt.
- Du hast getrunken.
»Verleiht einem diese Quelle Zauberkräfte?«
- Sie verleiht einem Macht.
- Keine Zauberkraft.
»Was ist der Unterschied?« fragte Nicholas.
- Du besitzt bereits Macht.
- Du hast nie die Zauberkraft erlernt.
- Wenn wir ihm mehr Macht geben, gab eine weitere Stimme zu bedenken, dann wird er sie genauso verschwenden, wie er es zuvor schon getan hat. Genauso wie es alle aus seinem Geschlecht getan haben.
- Einen Teil seiner Macht hat er bereits genutzt.
- Er hat ein wenig davon in Zauberkraft umgewandelt.
- In Zauberei vielleicht.
- Es hat nur wenige mit dieser Gabe gegeben.
- Das ist es ja gerade.
- Außer, daß er das Kind gerettet hat.
- Das zählt nicht. Macht, die aus Panik heraus benutzt wird, ist unkontrolliert.
- Trotzdem. Die Tochter hat überlebt.
- Mehr als einmal.
Nicholas hatte Schwierigkeiten, der Unterhaltung zu folgen. Die Stimmen redeten alle durcheinander, und er vermochte nicht zu sagen, woher sie kamen oder in welcher Reihenfolge sie sprachen. Was er jedoch ausmachen konnte, ergab einen gewissen Sinn.
Aber sie unterhielten sich über seine Zauberkraft.
Er besaß gar keine.
Oder etwa doch?
War sie vielleicht schon immer in ihm gewesen, nur unvollständig entwickelt?
»Was habe ich verlangt?« fragte er verständnislos.
- Mehr Macht, antwortete eine der Stimmen.
- Aber wir können sie dir nicht geben.
- Wir können das schon, aber du würdest sie vergeuden.
- Es sei denn, du hättest mehr Kinder. Dann würde die Macht auf sie übergehen.
- Große Macht.
- Macht, die sie töten würde.
Die letzte Stimme wurde von den anderen zum Schweigen gebracht. Nicholas wünschte sich, er hätte sagen können, woher sie kamen und was sie wirklich waren.
- Nein, das würde sie nicht, widersprach eine ganz andere Stimme.
- Allein der volle Gebrauch der Macht, die sie haben, treibt sie schon in den Wahnsinn. Wie wäre es wohl erst mit mehr Macht? Es könnte sogar schon gefährlich für sie sein, diese Macht auch nur gelegentlich anzuwenden. Ihr Geist könnte sie nicht kontrollieren.
- Es sei denn, sie würden hineinwachsen.
- Sein Geist kann das nicht.
- Wirst du noch mehr Kinder haben?
Nicholas brauchte einen Moment, um zu merken, daß sie mit ihm redeten.
»Nein«, sagte er.
Plötzlich herrschte tiefe Stille um ihn herum. Tiefer, als er je eine Stille zuvor empfunden hatte. Er hörte sich noch nicht einmal mehr atmen.
»Meine Frau ist tot«, sagte er in diese Stille hinein.
- Manche nehmen sich eine neue Ehefrau.
»Ich will aber keine andere.«
- Nicht einmal, um mehr Kinder zu zeugen?
»Ich habe bereits Kinder«, sagte Nicholas trotzig.
- Seht ihr? sagte eine der ersten Stimmen triumphierend. An ihn wäre die Macht verschwendet.
Wieder breitete sich diese grenzenlose Stille aus.
Dieses Mal entgegnete er nichts. Er war sich nicht sicher, was sie ihm eigentlich anboten,
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